Dataset Viewer
Auto-converted to Parquet Duplicate
title
stringlengths
7
155
content
stringlengths
2
109k
author
stringlengths
2
102
description
stringlengths
0
1.88k
keywords
listlengths
0
29
category
stringclasses
7 values
datePublished
stringdate
1999-01-29 00:00:00+0100
2025-06-12 03:00:00+0100
url
stringlengths
40
155
other
float64
0.05
0.98
politic
float64
0.02
0.95
EuroBERT-210m_CDU/CSU
float64
0.24
0.96
EuroBERT-210m_DIE LINKE
float64
0.06
0.93
EuroBERT-210m_AfD
float64
0.08
0.88
EuroBERT-210m_SPD
float64
0.05
0.79
EuroBERT-210m_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0.08
0.87
EuroBERT-210m_FDP
float64
0.06
0.87
EuroBERT-610m_DIE LINKE
float64
0.13
0.98
EuroBERT-610m_AfD
float64
0.04
0.94
EuroBERT-610m_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0.03
0.76
EuroBERT-610m_FDP
float64
0.02
0.91
EuroBERT-610m_SPD
float64
0.03
0.96
EuroBERT-610m_CDU/CSU
float64
0.04
0.88
EuroBERT_2_1B_CDU/CSU
float64
0.19
0.99
EuroBERT_2_1B_DIE LINKE
float64
0.04
0.96
EuroBERT_2_1B_FDP
float64
0.08
0.94
EuroBERT_2_1B_AfD
float64
0.05
0.95
EuroBERT_2_1B_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0.03
0.87
EuroBERT_2_1B_SPD
float64
0.05
0.93
Llama-3.2-1B_SPD
float64
0
0.98
Llama-3.2-1B_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0
0.98
Llama-3.2-1B_FDP
float64
0
0.98
Llama-3.2-1B_AfD
float64
0
1
Llama-3.2-1B_CDU/CSU
float64
0
0.98
Llama-3.2-1B_DIE LINKE
float64
0
1
gemma-3-1b_AfD
float64
0
1
gemma-3-1b_DIE LINKE
float64
0
1
gemma-3-1b_CDU/CSU
float64
0
1
gemma-3-1b_SPD
float64
0
1
gemma-3-1b_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0
1
gemma-3-1b_FDP
float64
0
1
gemma-2-2b_SPD
float64
0
1
gemma-2-2b_AfD
float64
0
1
gemma-2-2b_CDU/CSU
float64
0
1
gemma-2-2b_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0
1
gemma-2-2b_FDP
float64
0
1
gemma-2-2b_DIE LINKE
float64
0
1
gemma-2-9b_CDU/CSU
float64
0
1
gemma-2-9b_DIE LINKE
float64
0
1
gemma-2-9b_AfD
float64
0
1
gemma-2-9b_FDP
float64
0
1
gemma-2-9b_SPD
float64
0
1
gemma-2-9b_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0
1
xlm-roberta-large_AfD
float64
0
1
xlm-roberta-large_SPD
float64
0
1
xlm-roberta-large_FDP
float64
0
0.99
xlm-roberta-large_CDU/CSU
float64
0
0.98
xlm-roberta-large_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0
0.99
xlm-roberta-large_DIE LINKE
float64
0
1
gbert-large_CDU/CSU
float64
0
0.99
gbert-large_SPD
float64
0
1
gbert-large_FDP
float64
0
1
gbert-large_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0
1
gbert-large_AfD
float64
0
1
gbert-large_DIE LINKE
float64
0
1
gelectra-large_SPD
float64
0
1
gelectra-large_CDU/CSU
float64
0
0.96
gelectra-large_FDP
float64
0
0.99
gelectra-large_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0
0.99
gelectra-large_DIE LINKE
float64
0
1
gelectra-large_AfD
float64
0
1
GottBERT_large_AfD
float64
0
1
GottBERT_large_CDU/CSU
float64
0
1
GottBERT_large_FDP
float64
0
1
GottBERT_large_SPD
float64
0
1
GottBERT_large_DIE LINKE
float64
0
1
GottBERT_large_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0
1
Llama-3.2-3B_CDU/CSU
float64
0
1
Llama-3.2-3B_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0
1
Llama-3.2-3B_SPD
float64
0
1
Llama-3.2-3B_DIE LINKE
float64
0
1
Llama-3.2-3B_FDP
float64
0
1
Llama-3.2-3B_AfD
float64
0
1
DeBERTa-large_FDP
float64
0
1
DeBERTa-large_CDU/CSU
float64
0
1
DeBERTa-large_SPD
float64
0
1
DeBERTa-large_AfD
float64
0
1
DeBERTa-large_BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
float64
0
1
DeBERTa-large_DIE LINKE
float64
0
1
__index_level_0__
int64
0
26.8k
Herbst 89 "Die Wendezeit war für mich ein Schock"
Get the Flash Player to see this player. url=datenbank/video/Audioslideshow_Delgado.flv iurl=./resolveuid/42763a45de39acd18bbadd6d22c4fda9 width=560 height=440 loop=false play=false downloadable=false fullscreen=true displayNavigation=true displayDigits=true align=left dispPlaylist=none playlistThumbs=false var s1 = new SWFObject("/editor/plugins/flvPlayer/mediaplayer.swf","single","560","440","7"); s1.addVariable("width","560"); s1.addVariable("height","440"); s1.addVariable("autostart","false"); s1.addVariable("file","datenbank/video/Audioslideshow_Delgado.flv"); s1.addVariable("repeat","false"); s1.addVariable("image","./resolveuid/42763a45de39acd18bbadd6d22c4fda9"); s1.addVariable("showdownload","false"); s1.addVariable("link","datenbank/video/Audioslideshow_Delgado.flv"); s1.addParam("allowfullscreen","true"); s1.addVariable("showdigits","true"); s1.addVariable("shownavigation","true"); s1.addVariable("logo",""); s1.write("player475169");
Nana Heidhues u.a.
Inés Fuentes Delgado flüchtete 1987 aus Chile in die DDR, wo ihr Vater als Korrespondent arbeitete. Zwei Jahre später schien ihr, die Vergangenheit hole sie ein
[]
Politik
2009-11-05T05:00:00+01:00
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-wendezeit-war-fur-mich-ein-schock
0.577495
0.422505
0.716219
0.684264
0.534127
0.406391
0.382603
0.23092
0.688468
0.582729
0.328529
0.30819
0.261331
0.177811
0.800692
0.753467
0.553264
0.475484
0.391406
0.264358
0.818737
0.342462
0.256832
0.228157
0.157137
0.022629
0.694303
0.654011
0.540439
0.36659
0.164516
0.042088
0.474388
0.253861
0.145115
0.102305
0.041462
0.009126
0.987568
0.120853
0.09401
0.050331
0.014957
0.002715
0.439747
0.408749
0.407333
0.282988
0.164516
0.109706
0.704973
0.361165
0.262842
0.144149
0.046034
0.031144
0.673192
0.670608
0.572245
0.376623
0.176672
0.024054
0.938124
0.406391
0.075858
0.027169
0.012054
0.010987
0.771843
0.409693
0.397938
0.38122
0.373876
0.210766
0.750553
0.632503
0.062789
0.053403
0.010987
0.006904
0
Comic Gemüse wie wir
In Mokis Comic Sumpfland greifen mehrere Geschichten ineinander, die mit scheinbar ganz verschiedenen Bildsprachen arbeiten. Archaische Märchenwälder werden technologisierten Gegenwartsentwürfen gegenübergestellt. Im Sumpfland gibt es Instant-Alraunen und Videochats, Höhlenmalerei und streikende Arbeiter, ein mysteriöser Nebel breitet sich aus. Zusammengehalten werden diese Stränge durch Mokis unverwechselbaren Zeichenstil, hier ganz in Grün. Die 1982 im Sauerland Geborene ist in verschiedenen Feldern aktiv – Malerei, Animationsfilm, Performance. Sie hat in Hamburg Kunst studiert und ist Teil des dortigen Illustratorinnenkollektivs Spring. Manche ihrer Bücher, wie das entrückte How to disappear oder das melancholische Shelter (beide Gingko Press), sind vielmehr Kunst- als Comicbände und so bestens geeignet, dieses ohnehin recht wacklig gebaute Gegensatzpaar zu dekonstruieren.Ich mutiere, also bin ichVon wenigen menschlichen Ausnahmen abgesehen, wird das Sumpfland von doppelköpfigen Riesen bewohnt, von knolligen Rhizomen, einer Menge flauschig-kauziger Tierwesen und aufmüpfiger Pflänzchen. Durch die Welten wabert ein Nebel, der aussieht, als würde er ganze Galaxien enthalten. „Irgendetwas stimmt nicht. Irgendetwas stimmt nicht mit mir“, heißt es ganz am Anfang, und man weiß nicht, wer diese Sätze sagt. Vielleicht könnte es jede der Figuren sein, vielleicht ist es das Sumpfland selbst.All das bedeutet natürlich nicht, das in Sumpfland nicht auch ganz menschliche Probleme behandelt werden. Aldi und Puffi bilden zusammen mit ihren Kindern eine Kleinfamilie mit typischen Kleinfamilien-Problemen. Aldi möchte in Ruhe seine Bücher über soziale Gerechtigkeit lesen, Puffi ist permanent aufgedreht und klebt am Smartphone. Dass Aldi in Menschen- und Puffi in Tiergestalt auftritt, dass ihr Nachwuchs überraschend in einer Kiste bei ihnen angekommen ist und es sich streng genommen nicht um Kinder, sondern um „Flocken“ handelt: geschenkt. Die Schwierigkeiten entstehen nicht aus dem, was sie sind. Sondern aus den Rollenmustern, von denen sie glauben, sie erfüllen zu müssen.Auch wenn sie mit ihrem buschigen Schweif und in ihrer Dauernervosität etwas von einem Eichhörnchen-Avatar hat, erinnert Puffis Erscheinung an das Fuchswesen aus Mokis Vorgängercomic, dem ganz ohne Text auskommenden Wandering Ghost.In der japanischen Mythologie kommen immer wieder Füchsinnen vor, die Kitsune. Sie bandeln mit Menschen an, verlieben sich – und sobald die Männer bemerken, dass sie nicht mit ihresgleichen zusammen sind (was in der Regel länger dauert, als man glauben mag), nehmen sie Reißaus und lassen die menschlichen Angebeteten mitsamt der Nachkommenschaft zurück. Die Episode um Aldi und Puffi ist nicht die einzige Japan-Reminiszenz in Sumpfland: Moki macht in ihren Comics auch leise Anspielungen auf Anime-Filme. Da taucht ganz unvermittelt die ikonische Maske auf, die das geisterhafte Ohngesicht in Hayao Miyazakis Meisterwerk Chihiros Reise ins Zauberland trägt. Wenig überraschend, dass auch die japanische Kunstszene auf Moki aufmerksam wurde. 2019 steht eine Einzelausstellung in Tokio an.Die Erkenntnis, dass die Partnerin anders ist als erhofft, blüht auch Aldi und Puffi. Anders als im Kitsune-Mythos ist in Sumpfland aber immer auch eine Metamorphose als Ausweg aus den Gegebenheiten möglich: Wandlung, Mutation, Fortpflanzung – das sind zentrale Motive des Bandes. Oft sind die Veränderungen bloße Reaktionen auf strukturelle Wachstums- und Fortschrittsgebote. Auch Puffi wird schließlich ein wenig erwachsen, und schmiegt sich ruhig wie nie an den friedliebenden Aldi. Sie hat es mit dem Koffein ruhiger angehen lassen, und Aldi hat von den Flocken neue Ohren bekommen. Sie sehen fast wie Puffis aus. Auch Harmonie kann verstören.Neben der Kleinfamilie beleuchtet Moki noch andere soziale Strukturen. In einer Produktionsstätte werden Ableger hergestellt. „Du darfst dich für unsere Gesellschaft multiplizieren! herzlichen Glückwunsch“, begrüßt ein freundlich lächelndes Tentakelwesen einen neuen Mitarbeiter. Wenn es mal nicht so gut läuft mit den Ablegern, hat der Chef eine Pille parat.Affäre mit einer LandschaftAuf den ersten Bildern wirken die pflanzlichen Arbeiter recht fröhlich, doch irgendwann sieht man ihnen die Ausbeutung an. Eines der „lieben Getüme“, ein doppelköpfiger Riese, haut schließlich einfach ab. „Das hat da draußen eh keine Überlebenschancen“, winken die Kollegen ab. Das stimmt nicht, für ihn beginnt einfach etwas anderes. Stichwort Metamorphose.An einem anderen Schauplatz formieren sich Proteste gegen die Wachstumsdoktrin, der Fabrikchef rennt vergebens mit dem Kescher hinter streikenden Arbeitern her. Ein „Super Organism Rhizomatic Think Tank“ kommt zusammen und macht sich ans Eingemachte. Jemand sagt: „Ja, wir könnten hier kritische Fragen stellen, anstatt die Kindchenschema-Everybody’s-Darling-Crew zu mimen.“ So charmant und, pardon, niedlich wurde wohl schon lang nicht mehr zum Widerstand aufgerufen.Trotzdem entsteht in den stummen und handlungsarmen Episoden die intensivste Atmosphäre. Ganz besonders in der Erzählung von Ocre, einer Menschenfrau, die sich in die Landschaft verliebt und sich ihr hingibt. Eine tief romantische und genauso erotische Liebesbeziehung – Bäume und Pflanzen verästeln sich zu zahllosen Händen, die Ocre berühren, bis hin zu einer radikalen Verschmelzung. Wie Ocre durch ihre Version des Sumpfes traumwandelt und buchstäblich darin eintaucht, ist verstörend schön. Auch hier klingen Mokis bisherige künstlerische Arbeiten an, bei denen man oft nicht genau erkennen kann, wo der Mensch endet und die Natur beginnt.Placeholder infobox-1
Jana Volkmann
Kann man knuffig sein und trotzdem revolutionär? Moki lässt uns dran glauben
[ "sumpfland", "comics", "moki" ]
Kultur
2019-06-08T06:00:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/janav/gemuese-wie-wir
0.611846
0.388154
0.781331
0.325092
0.382141
0.29747
0.350421
0.469763
0.815233
0.743168
0.096706
0.404037
0.316581
0.193147
0.842863
0.564098
0.498184
0.391871
0.404037
0.602997
0.521227
0.398875
0.675765
0.76908
0.302391
0.298287
0.613237
0.233706
0.52975
0.226784
0.122523
0.597373
0.597373
0.044681
0.133867
0.982014
0.411111
0.73029
0.008577
0.016403
0.001325
0.051845
0.816406
0.785309
0.052619
0.775945
0.282196
0.154058
0.804406
0.497299
0.126785
0.598312
0.214691
0.921922
0.051845
0.283781
0.423458
0.131173
0.896251
0.349533
0.066569
0.152032
0.153042
0.076961
0.709824
0.844922
0.053403
0.743168
0.914901
0.543348
0.214691
0.131173
0.799442
0.492127
0.493805
0.102305
0.750553
0.005385
0.026355
0.004755
1
Beispiel Bremen Sauglatt, aalglatt, platt
Einer der bedrückendsten Tage meiner Kindheit war der erste Schultag nach den Winterferien 1984. Über Weihnachten hatte die AG Weser ihre Werfttore geschlossen. Damals war ich 12 Jahre alt, und fast die Hälfte der Väter aus meiner Klasse war arbeitslos. Dieses arme Bremen hat trotzdem Spaß gemacht. Weil es nie sexy sein wollte, sondern vom Märchen der Stadtmusikanten lebte. Als die Industrie unterging, hat es verschrobenen Kunstvisionären Spielplätze angeboten. Bremen sagte: „Hier lasset euch nieder. Hier sollt ihr frei sein. Hier könnt ihr ohne den Druck von Besucherzahlen, Umwegrentabilität und Refinanzierung eure Kunst machen!“ Kultur war der größte Stolz in der Not. Sie war kantig wie die Stadt, aufregend und roch nach Schweiß. Nur so konnte ein „Bremer Stil“ entstehen.Meine erste nackte Frau, die ich mit acht Jahren in der Kunsthalle gesehen habe, stammt von Lucas Cranach und schlief, meine zweite sah ich bei Johann Kresnik auf der Bühne. Der Dirigent Peter Schneider hat mir als 12-Jähriger den Lohengrin erklärt. 1984 stieß der Urbremer Sven Regener zur Band Neue Liebe, danach gründete er Element of Crime. Ich habe Claus Peymann, Bernhard Minetti, August Everding und Dieter Dorn gesehen. Hochkultur war in Bremen eine erstklassige Subkultur, die erst später – und anderenorts – zum Mainstream geworden ist.Im gallischen Kulturdorf wurde gern debattiert: 1980 hatte Ulrich Kienzle die Nachrichtensendung Buten un Binnen für Radio Bremen entwickelt, die mit ihren Moderatoren Michael Geyer und Jörg Wontorra bissiger war als der Monitor. Ich habe die schrägen Anfänge von Hape Kerkeling erlebt, und mein Traum war es, im Weser-Kurier zu schreiben, einer der damals wenigen national bedeutenden Regionalzeitungen. Die ganz großen Legenden waren bereits gegangen: Loriot, der bei Radio Bremen angefangen hatte, war längst Nationalkomiker, Nikolaus Harnoncourt, der beim gleichen Sender seine ersten Aufnahmen auf historischen Instrumenten hatte einspielen dürfe, setzte seine Arbeit in Wien fort, Kurt Hübner und Peter Zadek waren nach Berlin abgewandert, und auch Bürgermeister Hans Koschnik war schon von Bord gegangen. Aber der Geist der Siebziger wehte in die Achtziger hinüber.Affirmation statt ProvokationVor drei Jahren bin ich in meine alte Heimat zurückgekehrt. Ich freute mich auf die neue Begegnung mit der alten hanseatischen Kulturtante. Aber ich fand nur noch einen abgehalfterten Mythos, der damit beschäftigt war, sich selbst zu verwalten. Die neue Kunstwährung scheint nicht mehr die Provokation, sondern die Affirmation zu sein. Intendanten und Künstler werden nicht mehr engagiert, um infrage zu stellen, sondern um die Stadt mit hübschen Bildern und angenehmen Klängen zu tapezieren. Und es ist nur schwer zu verstehen, wie es zu so einer Situation kommt, die eigentlich keiner will.Es dauerte einige Zeit, bis ich begriffen habe, welches Prinzip dahintersteckt. Es gibt verschiedene Methoden, um an Kultur zu sparen: In den Nullerjahren wurde (gegen zaghaften Protest) in den neuen Bundesländern knallhart fusioniert und gestrichen. In Bremen, Trier oder Sachsen-Anhalt werden derzeit die Kultureinrichtungen lieber finanziell und personalpolitisch in die Bedeutungslosigkeit geführt, um sie am Ende ohne Bürgerprotest abschaffen zu können. Und das Prinzip Bremen ist längst ein nationales Phänomen geworden.Auch in Bremen beginnt ein Fisch am Kopf zu stinken. Am Kopf der Kulturinstitutionen steht in Bremen der Bürgermeister. Der heißt Jens Böhrnsen. Sein größter Erfolg war es, dass er zwischen Köhler und Wulff kurzweilig Bundespräsident spielen durfte. Ein Mann ohne Entscheidungswillen, einer der nicht auffällt, weil er nicht auffallen will. Ein Politbürokrat. Weil Böhrnsen zwar gern in Premieren sitzt, aber ungern Verantwortung für Kürzungen, Schließungen oder Personalentscheidungen tragen will, hat er das Amt der Kulturstaatsrätin geschaffen. Die heißt Carmen Emigholz und ist ursprünglich Rechts- und Politikwissenschaftlerin mit strammer Bremer Parteikarriere. Und so führt sie auch den Bremer Kulturklüngel: Als Netzwerk unter Freunden, in denen das lokale Mittelmaß zur Staatsräson erhoben wird. Seit 2007 betreibt sie im Namen ihres Bürgermeisters eine provinzialisierte Kulturpolitik, deren Ziel nicht die Debatte, die Kritik, das Außerordentliche ist, sondern die Verlässlichkeit. Das Doppelgespann hat Methode: Böhrnsen und Emigholz schieben die Verantwortungen hin und her.Die CDU-Opposition hat keinen fähigen Kulturpolitiker, und Carsten Werner von den mitregierenden Grünen, bettelt auf Facebook um neue Konzepte aus der Bevölkerung. Sein Anliegen ist es, die Off-Szene zu stärken. Dabei ist das Haus, das er einst leitete, die Schwankhalle, selbst personell an die Wand gefahren. Was die Grünen nicht wahrhaben wollen: Eine starke Subkultur entsteht nur im Schatten großer Kultur.Für Emigholz ist Kunst kein gesellschaftliches Korrektiv, sondern Serviceleistung. Sie sagt Dinge wie: „Wir sind gefordert, die Lebenswirklichkeit der Menschen stärker in den Blick zu nehmen“. Damit meint sie nicht die Thematisierung von Armut, gesellschaftlichen Spannungen oder gar revolutionäre Kunstveranstaltungen, sondern das „Afterwork-Angebot der Bremer Philharmoniker“. Emigholz könnte problemlos als Mitautorin des Manifests Der Kulturinfarkt durchgehen. Die Kulturstaatsrätin tut lediglich noch so, als würde sie Spielplätze zur Verfügung stellen, gibt den Schlüssel für ihre Einrichtungen aber nur aus der Hand, wenn sie sicher ist, dass die Kinder keinen Krach und keinen Unsinn machen.EndlosschleifenDas Publikum hat gelernt, dass der 80-Millionen-Kulturetat nicht mehr die Freiheit der Stadtmusikanten fördert, sondern als Investition in Marketing verstanden wird. Bremen zeigt exemplarisch, wie Kultur zu einem Teil der Tourismusindustrie verkommt. Sie ist keine Revolutionspolitik mehr, sondern Repräsentationspolitik. Sie schwitzt nicht mehr, sie trägt Schlips. Charakterköpfe wie in meiner Jugend sucht man in Bremen heute vergebens.Der personelle Abstieg begann mit dem Engagement des windigen Theaterimpresarios Hans-Joachim Frey. Der Putin-Freund und Semper-Opernball-Maestro hat der Bremer Politik mehr Kunst für weniger Geld versprochen. Seine Amtszeit endete in einem Millionenfiasko durch das Musical Marie Antoinette. Seither ist Bremen für ambitionierte Intendanten verbrannt. Inzwischen regiert der Hamburger Kulturwissenschaftler Michael Börgerding das Haus. Ein Intellektueller, der lieber Thesenpapiere entwirft, als die Bühne mit Emotionen zu füllen. Ein Debattentheater ist für ihn ein Haus, das zu Podiumsdiskussionen lädt. Besonders gern mit „Vertretern der Werbewirtschaft und kreativen Designern“. Seither debattiert Börgerding in Endlosschleifen mit den Bremer Inzest-Movern und -Shakern und hat sogar die Chuzpe, für derartiges Nichttheater Hübners altes Logo, den Theaterpfeil, zu reaktivieren. Zu einem kritischen Gespräch über den Publikumsrückgang und das Verschwinden des Theaters aus der Öffentlichkeit mit dem Freitag war er übrigens nicht bereit. Bei all dem vernachlässigt der Intendant die Kernkompetenz seines Hauses. Den Antisemiten Wagner würde er am liebsten gar nicht aufführen. Doch statt das so zu sagen und eine Debatte anzuregen, sucht er Regisseure, die Wagner kaputt machen. Das Marketing ist zur neuen Stadtmusik geworden.Die Bremer Kunsthalle wurde lange und erfolgreich vom etwas schrulligen Wulf Herzogenrath geleitet. Nach einem millionenschweren (zum großen Teil privat finanzierten) Umbau wurde dann Christoph Grunenberg zum neuen Leiter ernannt, der nun brav das Serviceprinzip von Frau Emigholz umsetzt: Spektakelshows, Kinderprogramm und Volksaufklärung. Das Museum Weserburg stand dagegen für Neue Kunst. Sein Direktor, Carsten Ahrens, ist das letzte Opfer der Bremer Kulturpolitik. Er hatte die Vision, ein neues Gebäude zu errichten. Finanziert werden sollte es unter anderem durch Bilderverkäufe, Eigenkapital, Mäzene und dadurch, dass die Stadt nicht mehr Millionen in die Sanierung des Fundaments der alten Weser-Immobilie investieren muss. Ahrens, der spektakuläre Künstler nach Bremen holte und Sammler anzog, wollte perspektivisch eine administrative Einheit mit der Kunsthalle schaffen: die Weserburg als Tate Modern, die Kunsthalle als Tate. Letztlich haben sich die lokalen Künstler, die alt eingesessenen Galeristen, das eigene Personal und die politischen Entscheidungsträger dem Direktor in den Weg gestellt. Böhrnsen und Emigholz haben gern auf den Privatstiftungscharakter der Weserburg verwiesen und ihre Hände in Unschuld gewaschen. Dass sie immer wieder Einfluss auf das Haus genommen, bei Vernissagen Reden gehalten und den Neubau hinausgeschoben haben, verschweigen sie. Es ist offen, wer Ahrens nun nachfolgt. Nationale Kunstdirektoren werden in dieser Gemengelage kaum „hier!“ schreien.Die Liste des kulturellen Abstiegs in Bremen ist lang: Unter Ilona Schmiel war die Glocke ein Konzerthaus mit Strahlkraft – heute ist sie zum Tourzirkuszelt verkommen, das Off-Theater Schwankhalle ist führungslos, das Überleben des Focke-Museums steht ebenso auf der Kippe wie das des Überseemuseums. Erfolgreich sind höchstens Privatinitiativen wie die Kammerphilharmonie Bremen oder das Musikfest Bremen – bei ihnen zeigt sich der Bürgermeister übrigens oft und gern.Stagnation und Inspirationslosigkeit betrifft auch die Bremer Medien: Der Weser-Kurier hat sich eine Radio-Bremen-Journalistin als Chefredakteurin geholt und füllt sein Feuilleton durch freie Schreiber, Lehrer und Hobbyjournalisten. Radio Bremen ist zu einem Nischensender geschrumpft: Die drei Radiosender werden von einem frustrierten Redaktionskollektiv betreut, Buten un Binnen sieht heute aus wie das RTL-Journal, 3 nach 9 plätschert vor sich hin, und der Tatort wird weitgehend vom WDR finanziert. Auch hier wurden alle Grundlagen geschaffen, dass der einstige Querdenkersender, der längst nur noch ein teures Fenster im NDR-Programm ist, perspektivisch verloren geht. Bremen steht stellvertretend für viele andere Städte, in denen die Kultur bis zur Lethargie organisiert wird. Viele Kulturschaffende reiben sich im Kampf mit der Bürokratie auf, ein Großteil des Publikums hat die Lust verloren, die Bedeutungslosigkeit wird schweigend hingenommen. Die Bremer Kulturlandschaft ist schrecklich belanglos und fürchterlich gemütlich geworden. Auf dem Gelände der AG Weser steht heute übrigens das Shoppingparadies „Waterfront“.
Axel Brüggemann
Früher stand die Stadt für kulturelle Erneuerung. Heute ist sie Provinz – warum eigentlich?
[]
Kultur
2013-06-30T06:00:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/axel-brueggemann/sauglatt-aalglatt-platt
0.453746
0.546254
0.764892
0.430626
0.418222
0.315736
0.594551
0.426799
0.717804
0.396535
0.345105
0.389082
0.519034
0.531088
0.516839
0.688468
0.380299
0.786623
0.460774
0.588889
0.053403
0.164516
0.175538
0.995532
0.048858
0.016403
0.753467
0.96641
0.27048
0.362969
0.188324
0.048137
0.158174
0.955319
0.268941
0.073696
0.286169
0.050331
0.811676
0.003377
0.995532
0.036769
0.015906
0.001868
0.64512
0.166675
0.250913
0.080357
0.23793
0.242206
0.233706
0.155078
0.144149
0.144149
0.750553
0.010653
0.483405
0.439266
0.799442
0.213377
0.124213
0.252384
0.022977
0.26971
0.461259
0.842863
0.460046
0.601594
0.626124
0.096706
0.057493
0.461259
0.654895
0.425367
0.165593
0.411111
0.622459
0.233706
0.884039
0.303216
2
Jugendkultur Posing in Posemuckel
In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Buchveröffentlichungen über das hierzulande etwa drei Jahrzehnte währende Subkulturphänomen Punk: angefangen beim autobiografischen Roman von Rocko Schamoni über dicke Monografien bis hin zu mehr oder weniger mondänen Bildbänden über legendäre Szenelokalitäten in Hamburg oder Düsseldorf.Mehr als 50 kurze, sehr persönliche Texte sind jetzt in einem Sammelband mit dem Titel Punk Stories erschienen. Was im ersten Moment wie noch ein Buch mehr zum schon ausreichend durchgekauten Thema aussieht, entpuppt sich bei der Lektüre stellenweise als grandioses Kompendium einer heute missverstandenen Subkultur. Berühmte Autoren wie Michael Wildenhain oder Steffen Kopetzky sind ebenso dabei wie viele unbekannte, aber durch die Bank interessante Stimmen. Die Jahrgänge reichen von den späten Fünfzigern bis in die achtziger Jahre.Zahni wird mit Bier getauftIm Punk zählt die Pose, das ultimative „Nein“. Punk ist die Jugendbewegung, die am radikalsten bürgerliche Werte widerlegt. Heißt es. Nur erzählt der Sammelband Punk Stories davon eigentlich herzlich wenig. Hier geht es nämlich darum, wie sich die Subkultur in die Biografien einzelner Akteure eingeschlichen und eingeschrieben hat. Und das hat immer etwas mit dem jugendlichen Aufbruch zu neuen Ufern zu tun. Da geht es um Partys, auf denen ein Ich-Erzähler mit seinem besten Freund Zahni einen Medizinstudenten mit Bier tauft und Mike Oldfields Shadow on the Wall aus der Musikanlage reißt, um die eigene Hardcore-Punk-Kassette einzulegen.Zwei Provinz-Punks machen sich auf nach Berlin, müssen aber feststellen, dass in der coolen Wagenburg, in der sie wohnen wollen, ein Putzplan aushängt und sie sich einer Art Bewerbungsgespräch unterziehen müssen. Zwei junge, angepunkte Kerle beschließen, sich aus einer morbiden Grundstimmung heraus umzubringen, aber nicht ohne vorher noch bei der angebeteten Kleinstadtschönheit mit dem klangvollen Namen Anja Valeria Fels vorbeizuschauen. Nach dieser Überdosis Romantik bringen sie sich natürlich nicht um. So drastisch sind die Protestposen hier gar nicht und es fehlt ihnen nie an Charme und Ironie. Meist geht es auch einfach ganz banal darum, jugendliche Wünsche und Träume zu formulieren. Und Punks neigen dazu, das, was sie formulieren, recht direkt in Szene zu setzen.Viele dieser pointierten Texte drehen sich um die eigene Verortung im musikalischen Punk-Universum. Dabei kann man durchaus fragen, was Joy Division oder Cure eigentlich mit Punk zu tun haben. Aber puristisch darf man dieses Thema nicht angehen. Die meisten von Punk infizierten Jugendlichen der legendären achtziger Jahre waren weit davon entfernt, dem „perfekten“ Punk-Image zu entsprechen.Egal ob Niederbayern oder am Stadtrand von BochumWas dieser Sammelband außerdem klar macht: Punk ist vor allem auch ein Phänomen der Provinz, egal ob in Niederbayern, in einem österreichischen Bergdorf oder am Stadtrand von Bochum. Der Mythos Berlin wirkt meist aus der Ferne, manchmal ist es auch Hamburg oder sogar London. „Die Überwindung der Provinz in der Provinz“ wird das sehnsüchtige Aufbegehren in einem Text genannt. Dabei ist der Sound jeweils recht unterschiedlich. Manche Storys sind wie schnelle, harte Punknummern, etwa eine Erzählung von einer Hamburger Demo 1988, die von der Polizei platt gemacht wird.Dann ist der Tonfall wieder wie in einem Fun-Punk-Song, wenn hingebungsvoll eine Party zerlegt wird, oder auch düster auf nächtlichen Autofahrten durch irgendein provinzielles Nirgendwo. Oder es wird heftig, wenn ein Ich-Erzähler als Hippie gescholten während eines Black-Flag-Konzerts eins auf die Nase bekommt. Nicht alle Geschichten in diesem „Sampler“ sind gut. Aber auch auf einer guten Punkscheibe sind nicht alle Lieder hörbar. „Stücke, die länger als 2,5 Minuten dauerten, waren gelogen“, heißt es in einer Erzählung. Die Punk Stories sind allesamt kurz genug, um die Geschichte der Punk-Bewegung adäquat auf den Punkt und vor allem auch zum Klingen zu bringen.
Florian Schmid
Charmante Erinnerungen an die Jahre 1977ff: Der Sammelband "Punk Stories" ist ein grandioses Kompendium einer heute missverstandenen Subkultur
[]
Kultur
2011-04-19T18:55:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/florian-schmid/posing-in-posemuckel
0.873053
0.126947
0.897695
0.444324
0.314893
0.497665
0.462716
0.290176
0.812867
0.546012
0.365683
0.336331
0.678327
0.513363
0.756358
0.353986
0.282196
0.585101
0.218669
0.70253
0.539954
0.393269
0.443359
0.149035
0.433981
0.348645
0.743168
0.593609
0.822189
0.663669
0.290981
0.129403
0.975202
0.023689
0.638835
0.897695
0.508666
0.774583
0.143188
0.143188
0.00004
0.364778
0.971564
0.91611
0.529628
0.646906
0.3863
0.163445
0.484136
0.378
0.090093
0.609059
0.299925
0.440469
0.806853
0.178956
0.243642
0.32595
0.64512
0.169956
0.096706
0.473779
0.160266
0.20947
0.247987
0.843895
0.168857
0.427755
0.359364
0.51068
0.13569
0.146087
0.725649
0.601594
0.644225
0.743168
0.92079
0.208179
0.720958
0.794385
3
Aufruf Aus Sorge um den Frieden
Aus Sorge um den Frieden in der und um die Ukraine haben sich zahlreiche Bürger mit einer Erklärung an Bundesregierung, Parlament und Öffentlichkeit gewandt. "Lassen Sie nicht zu, dass der Kampf um die Ukraine zu einem Stellvertreterkrieg zwischen 'dem Westen' und Russland eskaliert!", heißt es darin. Hundert Jahre nach Beginn des 1. Weltkriegs befinde sich die Welt in einer höchst gefährlichen Lage. Dem unverantwortlichen Kampf um geostrategische Positionen und Einflusssphären müsse Einhalt geboten werden. Wirtschaftssanktionen und andere "Strafmaßnahmen" gegen Russland seien aber ein "untaugliches Mittel zur Deeskalation". Das Vorgehen in der Ukraine-Krise widerspreche zutiefst der 1997 von NATO und Russland unterzeichneten Pariser "Grundakte über Gegenseitige Zusammenarbeit und Sicherheit". Darin hatten sich beide Seiten verpflichtet, "die Spuren der früheren Konfrontation und Konkurrenz zu beseitigen", "ungelöste Gebietsstreitigkeiten, die eine Bedrohung für unser aller Frieden, Wohlstand und Stabilität darstellen" sowie andere "Meinungsverschiedenheiten" auf der Grundlage des "gegenseitigen Respekts im Rahmen politischer Konsultationen" beizulegen. Zahlreiche Maßnahmen der NATO - vom Krieg gegen Serbien 1998 bis zur hemmungslosen Osterweiterung - hätten diesen Respekt vermissen lassen. Der Westen und Russland müssten vielmehr neu darüber nachdenken, wie das Spannungsverhältnis von territorialer Unverletzlichkeit und Selbstbestimmung friedlich zu lösen sei. Die Bundesregierung müsse einen Beitrag zur Deeskalation leisten, indem ihre Politik - auch angesichts der historisch belasteten Beziehungen zu Russland - die Sicherheitsinteressen aller Staaten des "gemeinsamen Hauses Europa" berücksichtigt. Konkret heiße das, die Vereinbarungen der Pariser Grundakte einzuhalten und "rhetorisch abzurüsten", die "Strafmaßnahmen" zu beenden und auf die Einberufung einer europäischen Sicherheitskonferenz zu drängen. Zu den Erstunterzeichner/innen gehören die Schriftsteller Ingo Schulze und Irina Liebmann, der Liedermacher Konstantin Wecker, die Schauspieler Jutta Wachowiak und Rolf Becker, die Rechtswissenschaftler Andreas Fisahn und Norman Paech, der Bundesrichter a.D. Wolfgang Neskovic, die Friedens- und Sozialwissenschaftler Andreas Buro, Christoph Butterwegge und Werner Ruf, sowie die Theologen Friedrich Schorlemmer und Hans Christoph Stoodt. Der vollständige Appell kann hier gelesen und gezeichnet werden.
100 Autoren
100 Autoren, Künstler, Wissenschaftler, Juristen, Ärzte, Theologen, Gewerkschafter und Friedensaktivisten wenden sich mit einem Appell an Politik und Öffentlichkeit
[ "USA" ]
Politik
2014-05-22T15:05:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/aus-sorge-um-den-frieden
0.523055
0.476945
0.70416
0.479747
0.447219
0.299925
0.461259
0.33372
0.899121
0.749087
0.36659
0.652241
0.637031
0.415847
0.834407
0.815233
0.541651
0.585575
0.198064
0.383526
0.049589
0.085099
0.086323
0.648689
0.015425
0.153042
0.38168
0.945801
0.418222
0.913677
0.437343
0.413477
0.025957
0.339828
0.018547
0.045353
0.026355
0.32595
0.002801
0.272025
0.884039
0.000667
0.007121
0.003945
0.212069
0.045353
0.03622
0.020646
0.07921
0.980281
0.010014
0.011332
0.015906
0.067547
0.164516
0.993096
0.040238
0.024423
0.128525
0.189521
0.985043
0.127653
0.634317
0.013637
0.012432
0.011687
0.847968
0.021287
0.934395
0.452536
0.741674
0.13569
0.326808
0.590307
0.051083
0.006904
0.022629
0.719384
0.051083
0.985936
4
Hegelplatz 1 Invisible men
Ein paar Ergänzungen zum Wochenthema. Einige von uns Freitag-Leuten spielen einmal pro Woche Hallenfußball in Berlin-Lichtenberg. Die Mannschaft hat keinen Namen, das Geld wird vor Ort eingetrieben, ein Doodle gewährleistet den Spielbetrieb, altersmäßige oder andere Beschränkungen gibt es nicht. Wir bewegen uns somit auf der untersten Stufe des Amateurfußballs. Über unsereiner gibt es keine Zahlen, man darf aber mit Millionen rechnen. Dazu kommen die 2.292.624 Spielerinnen und Spieler, die in einem vom DFB organisierten Betrieb spielen, weitaus die meisten sind Amateure, nur etwa 1.500 Spieler verdienen mit Fußball ihr Geld. Dennoch ist die Rede allermeistens nur von den Profis, und selbst bei den Profis geht das allergrößte Interesse in die Bundesliga, und da wiederum zieht eine Causa wie der wohl geplatzte Wechsel von Leroy Sané zu den Bayern gefühlt neunzig Prozent der Aufmerksamkeit auf sich. Und auch wir sprechen nach dem Spiel an der Bar über diesen verrückten Transferzirkus oder schauen uns ein Profi-Spiel auf dem Screen an.Wenn nichts anderes kommt, darf es auch die Begegnung FC Vaduz gegen Eintracht Frankfurt in der Euroliga-Qualifikation sein, übertragen von, äh, muss grad nachschauen, gibt ja so viele Anbieter, also: Nitro TV, die wir mit vielen Bemerkungen kommentieren. Gespräche über den Amateurfußball finden nicht statt. „In der FuWo habe ich gelesen, dass sich die Nord-Weddinger mit einem Südtiroler verstärkt haben.“ „Ist ja ein Ding! Wo hat der denn gespielt? „Der Ortler? Beim SV Schludern.“ Ein solcher Dialog wäre in Berlin überall möglich, wo Fußballer zusammensitzen (denn dieser Wechsel hat stattgefunden), ist aber unvorstellbar. Zu befürchten ist, dass er noch nicht einmal bei den Spielern von Nord-Wedding groß ein Thema ist. Es interessiert nur „big business“, und das gilt sogar für ansonsten kapitalismuskritische Menschen. Es ist, als würden Hunderttausende Schriftsteller Bücher schreiben, die keiner liest, noch nicht einmal sie selbst, weil sie in ihrer Freizeit doch lieber HBO-Serien gucken.Na ja, ganz stimmt es nicht. Ich verfolge die Spiele der SG Nordring. Sie spielt in der Kreisliga B, und klar, ich gehe da auch hin, weil ihre Heimstätte um die Ecke ist. Aber ich genieße diese Spiele, bin immer wieder erstaunt, wie man auch auf diesem Niveau kühne Dribblings oder schöne Flanken bewundern kann, manchmal ist mein Sohn dabei, dann kann ich mich austauschen, sonst ist es ein stiller Genuss, aber ich bilde mir ein, dass ich nicht alleine bin. Wir sind wie Wolfgang-Petry-Fans, keiner spricht über uns, keiner schreibt über uns, aber wir sind so viele, dass wir in der Lage wären, das maßlos gewordene Megabusiness einzudämmen. Im Prinzip jedenfalls.
Michael Angele
Wir Kreisliga-Fans sind die übersehene Macht im Land
[]
Kultur
2019-08-18T06:00:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/michael-angele/invisible-men
0.688468
0.311532
0.858719
0.306527
0.472927
0.258326
0.701713
0.331985
0.851953
0.608594
0.191933
0.36659
0.342462
0.439266
0.885631
0.520862
0.419648
0.578448
0.303216
0.511351
0.29584
0.436862
0.087564
0.318273
0.046034
0.740174
0.846958
0.794385
0.766294
0.136608
0.013637
0.056652
0.715424
0.103749
0.060087
0.422028
0.100879
0.852935
0.914901
0.907312
0.050331
0.834407
0.177811
0.544317
0.504822
0.128525
0.08882
0.043366
0.210766
0.697609
0.073696
0.143188
0.045353
0.055005
0.557845
0.836555
0.397938
0.249447
0.249447
0.401688
0.741674
0.206894
0.671471
0.246533
0.193147
0.226784
0.281406
0.151028
0.486027
0.153042
0.068537
0.239349
0.560012
0.429669
0.304869
0.577972
0.866133
0.268941
0.082697
0.243642
5
Hungerhaken Ganz schön dünn
Aktivisten gegen Essstörungen haben Schaufensterpuppen-Hersteller dafür kritisiert, super-dünne männliche Modelle gebaut zu haben, die labile Männer dazu verleiten könnten, sich – wie bei Frauen schon geschehen – zu Tode zu hungern. Kommenden Monat wird die britische Firma Rootstein ihre Young-and-Restless-Kollektion vorstellen, zu der eine Schaufensterpuppe mit einem Brustumfang von 35 Inch und einer Taille von 27 Inch gehört – 11 Inch weniger als der durchschnittliche britische Mann.Das Unternehmen sagt, die Puppen seien nach dem Vorbild von Teenagern entworfen worden, die nicht an Essstörungen litten, aber hervorragend geeignet dafür seien, die hautengen Skinny-Jeans und andere schmale Schnitte zu präsentieren, die durch Stars wie Russell Brand beliebt geworden sind. Der gemeinnützigen Organisation B-eat zufolge, die sich um Menschen mit Essstörungen kümmert, leiden immer mehr Männer an Anorexie und Bulemie.Männer sind genauso unsicher wie FrauenDie Puppen vermittelten ein unrealistisches Bild, sagte ein Beat-Sprecher: „Immer mehr Männer kommen mit Essstörungen zu uns, die sie entwickeln, weil sie versuchen, ein bestimmtes Körpermaß und eine bestimmte Figur zu erlangen. Männer haben heute mit den gleichen Unsicherheiten in Bezug auf ihre Körper zu kämpfen wie Frauen. Unrealistische Bilder – wie eben diese Puppen – kommen in der Modewelt und den Medien immer noch sehr häufig vor und der Druck, der durch sie erzeugt wird, kann bei jungen und verletzlichen Menschen zu einem niedrigen Selbstvertrauen führen.“Kevin Arpino, Creative Director bei Rootstein, der die Young-and-Restless-Reihe entworfen hat, wies jedoch die Vorstellung zurück, seine Puppen könnten Essstörungen Vorschub leisten. „Es handelt sich um eine Kollektion, die sich an den herrschenden Modetrends für Skinny Jeans und sehr enge Schnitte ausrichtet, wie man sie bei allen Firmen von Topman bis Gucci und in trendigeren Magazinen wie Número sehen kann. Keiner der Jungen, die wir als Modelle benutzt haben, war auch nur im entferntesten magersüchtig. Das waren ganz normale Teenager – der älteste war, glaube ich, 20. Es handelt sich um einen Trend, den man bei Rockstars und anderen Prominenten beobachten kann: Russell Brand ist da nicht ganz unschuldig. Aber ich bin mir sicher, dass auch die Zeit für muskulösere Typen wieder kommen wird.“Keine Jeans für muskulöse MännerIn der vergangenen Saison, so Arpino, seien die Maße noch größer gewesen, 38 Inch Brustumfang und 30 Inch Taille, doch die Nachfrage nach dünneren Modellen steige zunehmend. Dov Charney, Geschäftsführer der Jugendmode-Marke American Apparel, sagt, es sei zunächst äußerst schwierig gewesen, Schaufensterpuppen zu finden, denen die Kleidung seiner Marke gepasst hätten. „All die Puppen da draußen sind Muskelpakete, denen nicht einmal unsere größten Größen passen“, zitiert ihn das New York Magazine.
Helen Pidd
Nach den Magermodels jetzt die Magerpuppen: In Großbritannien gibt es Streit um dürre männliche Schaufensterpuppen. Verleiten sie junge Männer dazu, sich totzuhungern?
[]
Kultur
2010-05-06T17:07:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/ganz-schon-dunn
0.773559
0.226441
0.891811
0.106691
0.628863
0.264358
0.459804
0.497192
0.843895
0.32595
0.23793
0.191933
0.143188
0.445288
0.741674
0.382603
0.507171
0.253861
0.493012
0.35488
0.262842
0.233706
0.204342
0.632503
0.091382
0.225417
0.578448
0.184767
0.069542
0.167763
0.763484
0.07477
0.042722
0.750553
0.148047
0.087564
0.02976
0.035145
0.015425
0.001001
0.047426
0.933431
0.003594
0.0341
0.804406
0.178956
0.08882
0.171061
0.106691
0.103749
0.07921
0.119203
0.048858
0.138462
0.937211
0.060975
0.290981
0.373876
0.494476
0.185947
0.105211
0.433502
0.07477
0.103749
0.470128
0.630685
0.268941
0.860604
0.17441
0.198064
0.086323
0.156105
0.178956
0.273574
0.437343
0.080357
0.025179
0.817575
0.012054
0.007577
6
Chronik Wagenknecht, Steinbrück & das Kondomverbot
./resolveuid/7dcb036d26bfeebcaa4eeaf38b60d808VerhütungGefährlicher PapstKurz nach der Deutschlandreise von Benedikt XVI., an deren Rande Tausende unter anderem gegen das Kondomverbot der Katholischen Kirche protestierten, illustriert eine neue Studie, woran die päpstliche Weltabgewandheit mitschuldig ist: Die Zahl der 
Jugendlichen, die ungeschützten Sex 
haben, ist weltweit alarmierend hoch. In Europa nutzen mehr als 40 Prozent der Teenager keine Kondome, in Entwicklungsländern sind es bisweilen weit mehr als die Hälfte. Angesichts der gesundheitlichen und sozialen 
Risiken fordert die Stiftung Weltbevölkerung dringend „bessere Aufklärung“. Die wird es indes weiter schwer haben, solange die Propagandareisen des Papstes nicht verhütet werden. TS./resolveuid/0b85d7e86ca2f34c8ed7f632ea336e87LinkeKeine PersonaldebatteDie Linke hält es wie andere Parteien auch: Wenn es Probleme gibt, wird übers Personal gestritten, was alle „nicht hilfreich“ finden – um dann die Debatte erst so richtig zu führen. Oder eine neue aufzumachen: Neben die Frage, ob das Duo Lötzsch/Ernst glückliche Hand beweist, ist nun die nach einer möglichen Kandidatur Sahra 
Wagenknechts für die Spitze der 
Fraktion getreten. Während ein Teil der Partei die Personalie wohl auch wegen ihrer Sprengkraft heftig bewirbt, halten andere sie für das völlig falsche Signal und drohen mit Konsequenzen. Die Abstimmung ist erst einmal verschoben worden: auf die Zeit nach dem Programmparteitag, einer anderen der vielen Baustellen der Linken. TS./resolveuid/f96b20360071e026079449e347b42f5dFriedensnobelpreisträgerinBeharrlichFür sie war Umweltschutz eine Last – die Last zu handeln. „Wir dürfen nicht müde werden, wir dürfen nicht aufgeben, wir müssen beharrlich weitermachen“, sagte Wangari Maathai, als sie 2004 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Das Bekenntnis der Frau, die den Preis als erste Afrikanerin zugesprochen bekam, die über Jahrzehnte mit ihrer Grüngürtel-
Bewegung in Nairobi für die Pflanzung von Millionen Bäumen stritt und 2002 gegen alle Widerstände mit der National Rainbow Coalition ins kenianische Parlament einzog und stell-vertretende Umweltministerin wurde, 
ist auch ihr Vermächtnis. Im Alter 
von 71 Jahren ist Wangari Maathai an Krebs gestorben. TT./resolveuid/9645af4c36d8960e08a451e64cf839a5TodesstrafeZwingende ZweifelAuf den Supreme Court als letzte Instanz hoffte Troy Davis vergeblich, die Demonstranten vor dem Staatsgefängnis von Jackson marschierten umsonst. Nach 20 Jahren in der Todeszelle tötete eine staatlich verordnete Giftspritze den 42-Jährigen, der wegen Mordes an einem Polizisten 1989 
verurteilt war. Amnesty International spricht von Versagen der Justiz, die EU bedauert die Hinrichtung angesichts der „ernsten und zwingenden Zweifel“ an der Schuld des Mannes. Er war 
auf Grundlage von Aussagen verurteilt worden, die nach Angaben einiger Zeugen unter Druck der Polizei entstanden. Einige wurden später widerrufen. Eine Tatwaffe oder physische Beweise wurden nicht gefunden. TT./resolveuid/40430c39fca169dce9c59b6606e5a7fdSPDKeine LiebesheiratPeer Steinbrück, der Mann neben Angela Merkel in der großen Koalition, hat sich klar für Rot-Grün ausgesprochen. Die SPD wolle „nach der Zerrüttung der Liebesheirat von CDU/CSU und FDP“ nicht „den Ersatzmann“ spielen. Das Signal soll die eigene Partei besänftigen, in der viele mit Argwohn verfolgen, dass der Ex-Finanzminister Kanzlerkandidat werden könnte. Gegen Steinbrück macht die SPD-Linke inzwischen Front: Er verachte die Partei, heißt es, seine Nominierung würde die SPD „tief spalten“. Sollten die Fürsprecher Steinbrücks, die umgehend das Terrain verteidigten, trotzdem erfolgreich sein, droht der Sozialdemokratie schwarz-gelbes Schicksal: die Zerrüttung. TS(Alle Fotos: AFP/ Getty Images)
Freitag-Redaktion
Nicht alles, was diese Woche unter dem Teppich landete, gehört dorthin: 5 weitere Themen der Woche in aller Kürze analysiert
[ "Sozialdemokratische Partei Deutschlands", "Peer Steinbrück", "Wangari Maathai" ]
Politik
2011-09-28T14:45:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/freitag-redaktion/wagenknecht-steinbruck-das-kondomverbot
0.512693
0.487307
0.876634
0.395134
0.510496
0.242206
0.435421
0.4206
0.716219
0.699254
0.364778
0.344223
0.315736
0.314051
0.801936
0.442877
0.53607
0.457137
0.259826
0.395601
0.047426
0.165593
0.474509
0.582729
0.201813
0.07921
0.500977
0.17441
0.711431
0.33546
0.224055
0.075858
0.480357
0.155078
0.102305
0.740174
0.194368
0.877477
0.046725
0.280616
0.190724
0.068537
0.051845
0.08882
0.299925
0.205615
0.100879
0.054199
0.50531
0.823328
0.017442
0.061876
0.112795
0.151028
0.877477
0.195594
0.348645
0.351311
0.304042
0.318273
0.379378
0.253861
0.785309
0.105211
0.155078
0.102305
0.217338
0.456652
0.096706
0.181263
0.17441
0.66888
0.218669
0.284576
0.243642
0.391871
0.158174
0.280616
0.076961
0.092688
7
Reizgas "Pfeffi hält die Straßen rein"
„Sozialdemokrat? Für den breit aufgestellten Staat!“, ruft einer der Gegendemonstranten und streckt vorbeigehenden Passanten ein Tablett mit grün gefüllten Schnapsgläsern aus Plastik entgegen. „Pfeffi hält die Straßen rein“, sagt er. Aber die meisten lehnen den Minzlikör ab, auch die grimmig dreinblickenden Einsatzpolizisten. Es ist ja auch erst halb neun, an diesem nasskalten Samstagmorgen. Und die Gegendemonstranten sind nur da, weil auch die Polizei da ist.Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wirbt vor dem Estrel Convention Center in Berlin für den Einsatz von Pfefferspray. Anlässlich des SPD-Landesparteitages, der hier an diesem Tag stattfindet, verteilen ein paar Gewerkschafter an die Deligierten Handzettel mit Informationen zu Reizgas. Denn auf dem Parteitag soll auch über einen Antrag der Berliner Jusos gesprochen werden. Dieser fordert, „den Einsatz von Pfefferspray durch die Berliner Polizei in Zukunft grundsätzlich zu verbieten“.Die GdP ist anderer Meinung. „Pfefferspray ist eine sanfte Möglichkeit Widerstand zu brechen", sagt einer der Gewerkschafter. "Die Wirkung hält nur zehn bis dreißig Minuten an. Wenn ich jemandem das Jochbein breche, hat der deutlich länger was davon.“ Bei größeren Menschenmengen müsse der Einsatz von Reizgas mehrfach angekündigt werden, so fordere es das Gesetz. "Demonstranten haben nach diesen Ansagen immer noch die Möglichkeit sich zu entfernen“, erklärt er.Es gehe darum, Konflikte nicht eskalieren zu lassen. „Früher hat man gesagt: Gut, du gehst halt ran an denjenigen, und haust ihm, lapidar gesagt, auf die Schnauze. Da ist Pfefferspray doch das geringere Übel.“ Sein bestes SchmerzgesichtAber nicht nur Handzettel, sondern auch eine kleine Theaterszene an der Straßenecke zeigt, wie nützlich Pfefferspray für den Polizeialltag sein kann. Ein betrunkener Ehemann schreit seine entsetzte Frau an. Die Vodkaflasche fliegt über die Straße, genau wie der Tisch von Ikea. Dann will er sie mit der Faust ins Gesicht schlagen. Die Frau ist schockiert, doch stürmen im gleichen Moment Polizisten durch die imaginäre Tür und stellen den gewalttätigen Ehemann.Obwohl nur mit weißen Styroporschlagstöcken, Plastikpistole und Pfefferspray ohne Pfeffer bewaffnet, sieht das Schauspiel gefährlich aus. Gerade will einer der Beamten seine Plastik-Dienstwaffe ziehen, da gelingt es seinem Kollegen mit einem schnell gezogenen Requisitenpfefferspray, das inszenierte Ehedrama zu entschärfen. Der Ehemann spielt sein bestes Schmerzgesicht, fällt auf die Knie, wird gefesselt und schließlich abgeführt.Nach jeder dieser Darstellungen versucht ein Gewerkschafter per Megafon die Forderungen der GdP zu erklären, was ihm kaum gelingt. Er wird von zwei Dutzend Gegendemonstranten übertönt. Sie rufen: „Pfeffer ins Gesicht, ob friedlich oder nicht“, und immer wenn der gespielte Ehemann vor gespieltem Pfefferschmerz das Gesicht verzieht, brüllen die Demonstranten: „Nachwürzen!“Schauspiel im SchauspielZwischen Gewerkschaftern und Gegendemonstranten steht eine Reihe aus echten Beamten der Einsatzpolizei, mit echten Schlagstöcken und echtem Pfefferspray. Beide Seiten scheinen diese Trennung zu akzeptieren und gehen ihren Anliegen nach. Nur die Pressefotografen suchen immer neue Perspektiven. Vereinzelte Ausreißer der Gegendemonstranten werden von den Beamten freundlich aber bestimmt wieder zurück zu den ihren begleitet.Ein bisschen abseits, und mit weniger Aufmerksamkeit der anwesenden Medienvertreter bedacht, steht noch eine Gruppe der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, die einen Tarifvertrag für Musikschullehrer fordert. Die Pfefferspraydemonstranten haben der Gruppe offensichtlich die Show gestohlen.So geht das bunte Treiben, bis der Nieselregen wieder einsetzt und die allgemeine Lust an der Sache abkühlt. Die ersten Fotografen gehen und die Rufe der Gegendemonstranten werden leiser, einige machen sich schon auf den Heimweg.Kein Heimweg ohne AnzeigeAnscheinend in die falsche Richtung. Sechs Polizisten überwältigen einen der Gegendemonstranten, der sich offenbar zu weit von der symbolischen Trennlinie entfernt hatte. Ihm werden die Arme auf den Rücken gedreht, schon liegt er auf dem Asphalt, umringt von Polizisten. Er bewegt sich gar nicht. Die Ver.di-Gewerkschafter sprechen von einem Faustschlag ins Gesicht, sind empört und rufen, der Demonstrant habe sich nicht gewehrt. Da ist er auch schon im grünen Gruppentransporter verschwunden.Auch die kleine Gruppe von Gegendemonstranten wird von Polizisten in schwerer Montur eingekreist, während auf der anderen Straßenseite zwei weitere Gegendemonstranten in Gewahrsam genommen werden. „Wir wurden nicht vorgewarnt, dass so etwas passieren könnte", sagt einer von ihnen. "Uns wurde gesagt, wir sollten auf diesem Teil des Weges bleiben, was wir auch getan haben. Als ich gehen wollte, rannten Beamte hinter mir her und haben mich im Sicherheitsgriff zurückgebracht.“Pfefferspray – das geringere ÜbelPersonalien werden aufgenommen. Seitens der Polizei heißt es, gegen die Demonstranten werde Anzeige wegen Störung einer Veranstaltung erstattet. Die Kundgebung der Gewerkschaft war für den Zeitraum von 8:30 Uhr bis 9:15 Uhr angemeldet. Jetzt ist es 10 Uhr, die Gegendemonstranten hatten ihre Aktion vorher nicht angekündigt.Ein Einsatzpolizist sagt, dieses Ende sei von Anfang an absehbar gewesen. „Wir konnten erst so spät eingreifen, weil wir noch auf Verstärkung warten mussten.“ Die Demonstranten hätte man davon in Kenntnis setzen müssen, räumt er ein. Doch an eine solche Vorwarnung kann sich keiner der Anwesenden erinnern. Zudem erscheint vielen Gegendemonstraten die Reaktion der Polizei völlig unverhältnismäßig. „Alle sind friedlich gewesen“, sagt ein Teilnehmer, „dann wurde ohne Vorwarnung hart durchgegriffen. Keiner konnte gehen.“Einige der Gegendemonstranten haben sich inzwischen auf den Boden gesetzt. Sie warten. Die Polizisten warten auch, doch die Personalien können nur langsam aufgenommen werden. Ein Passant schüttelt den Kopf und fragt noch im Vorbeigehen: „War das denn nun nötig?“ Immerhin ist das echte Reizgas an diesem Morgen nicht mehr zum Einsatz gekommen.
David Kappenberg
Die Gewerkschaft der Polizei protestiert in Berlin für den Einsatz von Pfefferspray. Doch die Demo-Polizisten sind nicht allein auf der Straße, auch Linke sind gekommen
[ "verbote", "pfefferspray", "inland" ]
Politik
2013-05-26T11:14:48.011474+02:00
https://www.freitag.de/autoren/david-kappenberg/pfeffi-haelt-die-strassen-rein
0.334589
0.665411
0.816406
0.634317
0.600657
0.479991
0.416322
0.448909
0.511107
0.744656
0.206894
0.340705
0.513546
0.440469
0.799442
0.917303
0.621541
0.791821
0.462959
0.669745
0.499756
0.431584
0.372049
0.458591
0.112795
0.146087
0.596903
0.981736
0.278257
0.630685
0.23092
0.226784
0.027585
0.988313
0.02976
0.033086
0.051083
0.004905
0.173288
0.000066
0.989013
0.198064
0.000217
0.002397
0.952574
0.189521
0.140336
0.125065
0.042088
0.09947
0.853913
0.17441
0.67662
0.008577
0.805632
0.031619
0.276691
0.503525
0.402627
0.119203
0.082697
0.566498
0.555676
0.611382
0.236516
0.697609
0.056652
0.198064
0.583678
0.90599
0.598782
0.195594
0.92079
0.675765
0.624294
0.475484
0.894789
0.026355
0.001927
0.063715
8
Warum die Drohnen-Attacke auf russische Bomber Kriegsführung für immer ändert
Während auf den Schlachtfeldern im Osten der Ukraine die Lage für Kiew mehr als schwierig ist, gelang ihrem Geheimdienst eine der erfolgreichsten Operationen seiner Geschichte. Innerhalb weniger Stunden attackierten über hundert Drohnen mehrere Bomber der strategischen Luftflotte quer durch Russland. Fast zeitgleich wurden die Bilder ins weltweite Netz gestreamt. Man sah explodierende Maschinen, die in ihren Militärbasen wie an einem Schießstand wehrlos zusammengeschossen wurden. Das Geschehen markierte einen schwarzen Tag für die russische Luftwaffe: Noch nie erlitt sie einen höheren Sofortverlust – und dies wohlgemerkt weit im Landesinneren. Ukrainische Agenten mieteten russische Truck-Fahrer, die von einem normalen Containertransport ausgingenPlanung und Ablauf der Aktion taugen zum Lehrstück für Geheimdienstarbeit im gegnerischen Hinterland. In einer über Mittelsmänner angemieteten Werkhalle in Tscheljabinsk mitten in Russland wurden Spezialcontainer vorbereitet, die von außen wie eine gewöhnliche Lkw-Fracht aussahen, im Inneren jedoch Dutzende Drohnen, dazu Funkgeräte und Aufladeapparaturen enthielten sowie über ausfahrbare Dächer verfügten. Agenten mieteten unwissende russische Truck-Fahrer an, die davon ausgingen, profane Standardcontainer zu befördern. Sie fuhren die nach außen hin unscheinbare Ladung am Tag vor den in Istanbul anberaumten Friedensverhandlungen zu ihnen übermittelten Adressen. Einmal handelt es sich um eine Tankstelle, ein anderes Mal um einen Parkplatz vor einem Restaurant. Die Adressen lagen Hunderte bis Tausende Kilometer voneinander entfernt in den Gebieten Murmansk, Irkutsk, Iwanowo, Rjasan und Amur. Nur eines hatten sie gemeinsam – sie lagen alle nur wenige Kilometer von wichtigen russischen Militärflughäfen entfernt. Auf Signal schoben sich zur Stunde X die Container-Dächer zur Seite, die Drohnen starteten im halb-automatischen Modus in die Luft, wurden im Flug von menschlichen „Operators“ zur Steuerung übernommen und schließlich in die parkenden Maschinen gelenkt. Der Vorwurf lautet, man habe sich allein auf die geografische Entfernung zum Kriegsgebiet als Schutzfaktor verlassen Der anfängliche Schockeffekt für die russische Armee war enorm. Durch Satellitenbilder wurde der Sofortverlust von rund zehn Maschinen der Typen Tu-95MS, Tu-22M und An-12 bestätigt. Zwar lag dies am Ende bei Weitem nicht so hoch wie es Wolodymyr Selenskyj in seiner „Siegesrede“ bekanntgab oder der ukrainische Generalstab mit KI-generierten Bildern suggerierte. Doch das änderte wenig daran, dass es die schmerzhafteste und folgenreichste Attacke in den Tiefen Russlands während der modernen russischen Militärgeschichte gegeben hatte. Dies schlug hohe Wellen in der gesamten Kriegsdebatte und führte zu heftigster Kritik an der gesamten Generalität. Warum die Verantwortlichen es auch im vierten Kriegsjahr nicht für nötig befunden haben, strategische Stützpunkte zu sichern, wurde zu einer notorischen Frage, verbunden mit dem Aufruf, dass jetzt Rücktritte quer durch den gesamten Führungsapparat der Luftwaffe fällig sein. Die Vorwürfe lauteten auf Inkompetenz und kriminelle Arroganz. Man habe sich allein auf die geografische Entfernung zum Kriegsgebiet als Schutzfaktor verlassen – und das, obwohl der gegnerische Geheimdienst nun schon zu einigen Operationen in Russland ausgeholt hat. Zu einer besonders bitteren und fast schon kuriosen Pointe wurden die auf den Tragflächen der strategischen Bomber ausgelegten Autoreifen. „Was soll man schon von Menschen erwarten, die als Sicherheitsmaßnahme die Flugzeuge mit Autoreifen bedecken oder Flugzeuge auf Asphalt malen, um westliche Aufklärungssatelliten zu verwirren?“, teilte eines der auflagenstärksten russischen Portale gegen die Armeeführung aus. Ein anderer postete: Die Asphaltbilder wurden eventuell nicht gut genug gemalt, um Drohnen abzuwehren. Trotz des Schocks in den ersten Stunden ist es umso bemerkenswerter, dass danach weitgehend nichts als Sofortreaktion passierte. Obwohl der Fall eines Angriffes auf strategische Bomber in der russischen Nukleardoktrin explizit als unmittelbarer Angriff auf Zweitschlagkapazitäten definiert wird und einen atomaren Vergeltungsschlag als eine der Optionen unmissverständlich benennt, blieben solch radikale Stimmen absolute Einzelfälle. Der im Westen beliebte Vergleich vom „russischen Pearl Harbour“ und dem daraufhin drohenden „ukrainischen Nagasaki“ blieb in Russland ebenfalls die absolute Ausnahme. Der Kreml bemühte sich im Vorfeld der Verhandlungen mit der Ukraine gar um ein fast schon lässiges Bild nach dem Motto „business as usual“. Der russische Chef-Unterhändler Wladimir Medinskij erklärte nur wenige Stunden nach dem Angriff, er reise „in guter Laune nach Istanbul“. Kein zerstörter Bomber werde der Ukraine „auch nur einen Meter ihres Territoriums zurückbringen“Einer der Gründe für die schon fast verdächtige Lockerheit dürfte sein, dass Moskau eine Torpedierung der Verhandlungen nicht wollte. Ein anderer, dass die Gesamtlage im Krieg durch diesen Coup unverändert bleibt. Russische Verbände rücken weiter vor. Der Geheimdienst-Coup stoppt weder die russischen Offensiven noch hilft er, erschöpfte Soldaten an vorderster Linie mit Nachschub zu versorgen oder zu verstärken. Für die Logik in der russischen Kriegsdebatte fasste es der Kanal „Fighterbomber“ treffend so zusammen: „Kilometer sind die einzige Währung dieses Krieges“. Kein einziger zerstörter Bomber werde der Ukraine „auch nur einen Meter ihres Territoriums zurückbringen“. Solange die Bodentruppen westwärts vorrücken, sei man bereit, diese und noch größere Verluste – wenn es sein müsse – hinzunehmen, so „Fighterbomber“. Der ukrainische Coup ist somit ein äußerst vielschichtiges, man könnte auch sagen ambivalentes Ereignis. Es wird einerseits in die Geschichte als „schwarzer Tag der russischen Luftwaffe“ eingehen, andererseits für die Bodenkämpfe im Ukraine-Krieg nichts ändern und den Frieden nicht näherbringen. Im Weltmaßstab zementiert der Angriff den Aufstieg der Drohnen-Waffe als Militärfaktor von strategischer Dimension. Mit 500 Dollar teuren Fluggeräten lassen sich strategische Potenziale dezimieren, so das nicht übertriebene Fazit vom 1. Juni. Gleichzeitig öffnet der Angriff die Büchse der Pandora bei der asymmetrischen Kriegsführung und bei asymmetrischen Risikoszenarien. Mit minimalem Finanzaufwand wurde ein Paradebeispiel geliefert, wie es funktioniert, wenn paramilitärische Akteure sich derartiger Methoden bedienen. Das wird noch mehr Nachahmer finden als bisher – seien es die Huthi im Jemen, muslimische Milizionäre im Nahen Osten oder Terrorzellen in Europa. Jeder unscheinbare Container – auf einem Lkw, einem Schiff oder Zug oder auf einem Parkplatz – kann Kamikaze-Drohnen an Bord haben. Man hat es mit einer neuen Bedrohungslage zu tun, die mit konventionellen Mitteln kaum abzuwehren ist und beinahe grenzenlose Varianten von asymmetrischen Angriffen auf sensible Ziele bietet.
Nikita Gerasimov
Der 1. Juni hat mit der Drohnen-Attacke auf russische strategische Bomber die Welt verändert – zumindest die von Geheimdienstoperationen und einer asymmetrischen Kriegsführung. Das gilt für den Ukraine-Krieg wie für Konflikte in Nahost
[ "Russische Luftstreitkräfte", "Drohne", "Russisch-Ukrainischer Krieg" ]
Politik
2025-06-04T15:45:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/nikita-gerasimov/es-brodelt-bei-russischen-kriegsbeobachtern-nach-dem-angriff-am-1-juni
0.341802
0.658198
0.721743
0.446495
0.568895
0.206894
0.420124
0.262842
0.806853
0.532425
0.325092
0.258326
0.542136
0.344223
0.757794
0.52342
0.752013
0.353094
0.281406
0.351311
0.140336
0.137532
0.20947
0.64512
0.144149
0.076961
0.579876
0.321673
0.13569
0.509764
0.453262
0.073696
0.184767
0.931463
0.037327
0.054199
0.096706
0.023689
0.921922
0.029312
0.006098
0.840783
0.175538
0.111241
0.378919
0.434461
0.349533
0.551815
0.216012
0.013637
0.552057
0.609059
0.76908
0.36659
0.16238
0.024054
0.33112
0.304869
0.322526
0.212069
0.025957
0.281406
0.136608
0.705785
0.754915
0.562177
0.016915
0.253861
0.194368
0.181263
0.188324
0.064653
0.390011
0.891811
0.943348
0.961534
0.431584
0.773216
0.132066
0.000404
9
Griechenland-Krise Ein schwarzer Tag für Europa
Als letzten Sonntag die Staats- und Regierungschefs der Eurozone über die Zukunft Griechenlands berieten, und erste Details der Bedingungen, die Athen für ein drittes Hilfsprogramm erfüllen sollte, bekannt wurden, ging ein Aufschrei durch die Netzwelt. Nutzer des Kurznachrichendienstes Twitter kreierten den Hashtag #ThisIsACoup, zu Deutsch: "Das ist ein Putsch", um ihrem Unmut über die Verhandlungstaktik der Eurogruppe Ausdruck zu verleihen.Seitdem wurde das Hashtag über 400.000 Mal benutzt. Auf der ganzen Welt, das zeigen Karten mit der Verteilung der Hashtags, beobachteten die Menschen fassungslos, was in Brüssel vor sich ging: Schäuble und der Eurogruppe schien es nicht um einen nachhaltigen Kompromiss zu gehen, um eine Verhandlung auf Augenhöhe – sondern vielmehr um die totale Unterwerfung Griechenlands.Die griechische Regierung sollte gedemütigt werdenDer vierseitige Forderungskatalog, mit dem die Euro-Finanzminister die griechische Seite konfrontieren, ist nicht konzipiert, die griechische Wirtschaft wieder auf die Beine zu stellen. Stattdessen handelt es sich bei den Bedingungen, die Athen erfüllen soll, um eine wahre Vendetta der Gläubiger. Weitere Jahre der Austerität werden den Griechen als Kollektivstrafe aufgezwungen, weil sie es wagten, das neoliberale Spardiktat in Frage zu stellen. Nicht ohne Grund nannte Spiegel Online die Gläubiger-Bedingungen (die Griechenland größtenteils übernehmen musste) "Grausamkeiten".Da ist die Mehrwertsteuererhöhung, die der Haupteinnahmequelle der Hellenen – dem Tourismus – stark zusetzen wird. Da sind die Rentenkürzungen, die besonders furchtbare Auswirkungen haben werden, weil die Rente der Alten in vielen griechischen Familien das einzige verbliebene regelmäßige Einkommen ist. Des Weiteren soll der griechische Arbeitsmarkt langfristig kapitalismusfähiger gemacht werden: Schwächung der Gewerkschaften, einfachere Kündigungen. Ein Fonds soll geschaffen werden, in dem die Privatisierung griechischen Staatseigentums die Summe von 50 Milliarden Euro generieren soll. Dieser Fonds wird von den Gläubiger-Institutionen überwacht und bedeutet, wie Zeit-Chefredakteur Josef Joffe im Guardian schrieb, eine Art Besatzungsmacht.Nicht zuletzt sollen die verhassten Technokraten der Troika wieder nach Athen eingeflogen werden: die Vertreter von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank müssen jedem relevanten Gesetzesvorschlag zustimmen, bevor er überhaupt ins Athener Parlament darf. Nicht gewählte Beamte, die hinter verschlossenen Türen arbeiten, haben in diesem Europa Vorrang vor einem nationalen Parlament.Die Sparmaßnahmen werden die Krise in Griechenland verschärfenDiese Maßnahmen, von denen einige binnen weniger Tage durchgeführt werden sollen, werden die Talfahrt der griechischen Wirtschaft zweifellos verlängern. Das Prinzip der fiskalischen Austerität ist schon lange als kontraproduktiv widerlegt worden. Griechenland, sagen die Ökonomen, braucht einen Schuldenschnitt – selbst der IWF hat das eingesehen. Doch in Schäubles Welt ist ein Schuldenschnitt nicht vorgesehen. Für ihn und die anderen Hardliner in der Eurogruppe geht es um Moral.Der Narrativ der deutschen Politik zur Wirtschaftskrise nämlich besagt, dass die Südeuropäer über ihre Verhältnisse gelebt hätten und nun den gerechten Preis – fiskalische Austerität – bezahlen müssen. Demnach würde also Gnade mit Hellas in Form eines haircut die anderen Krisenstaaten in Versuchung führen, die Spardoktrin anzuzweifeln.An Griechenland wird auf grausame Weise ein Exempel statuiertDie harschen Konditionen für Athen sollen auch dazu dienen, das Wahlvolk in anderen von Sparprogrammen geplagten Ländern auf Linie zu halten. Spanien wählt dieses Jahr und ein Erfolg der linksalternativen Partei Podemos käme den Gläubigern äußerst ungelegen.Deswegen haben die Institutionen auch eine ganze Reihe von schmutzigen Tricks benutzt, um Syriza aus dem Amt zu jagen. In den Tagen, bevor Tsipras notgedrungen das Referendum aufrief, hatten sie Griechenland auflaufen lassen. Eiskalt waren auch die größten Zugeständnisse Athens als unzureichend abgeschmettert worden. Die Gläubiger forderten Dinge von der griechischen Regierung, die Syriza wahrscheinlich die politische Glaubwürdigkeit gekostet hätten. Die EZB weigerte sich indes, das Limit für die Notfinanzierung der griechischen Banken anzuheben und verursachte so den cash squeeze, der zur Schließung der Banken führte. IWF-Boss Lagarde erklärte, der griechischen Staat sei "im Zahlungsrückstand", direkt nachdem Athen die Rückzahlung einer Rate verpasst hatte – obwohl sie Griechenland vor diesem Schritt eine Gnadenfrist von vier Wochen hätte zugestehen können. Und nach dem lauten Nein der Griechen?Wir brauchen ein anderes EuropaBei den Verhandlungen letztes Wochenende war die griechische Delegation zu weitreichenden Zugeständnissen bereit, als Wolfgang Schäuble unerwartet mit neuen Forderungen ankam – einem Grexit auf Zeit und der Übertragung griechischen Staatsbesitzes in einen ausländischen Treuhandfonds. Obwohl der Zeit-Grexit schnell vom Tisch war und der Fonds abgemildert wurde, muss man nach dem Sinn dieser Strategie fragen. Sie wirkt wie ein Racheakt an Athen. Die Griechen waren im Büßerhemd in Brüssel erscheinen, doch statt Vergebung und Güte reagierten die Gläubiger mit dem vielseitigen Eurogruppen-Memo vom Sonntag, das einer finanzpolitischen Kriegserklärung ähnelt.Alexis Tsipras hatte keine Wahl. Um sein Land vor dem totalen Kollaps zu bewahren, unterschrieb er den faulen Deal. Die Demütigung Griechenlands sollte uns alle beschämen. Wir brauchen ein anderes Europa. Eines, das sich um die Menschen kümmert; das nicht nur den Finanzeliten nützt, das Flüchtlingen eine Chance bietet, das gerecht und solidarisch ist. Ein solches Europa aber ist am vergangenen Wochenende noch weiter in die Ferne gerückt.
David Antonio Ztr
Warum die Demütigung Griechenlands uns allen schadet
[ "Europäische Zentralbank", "Wolfgang Schäuble", "Alexis Tsipras", "europa", "Synaspismos Rizospastikis Aristeras", "Internationaler Währungsfonds" ]
Politik
2015-07-14T22:14:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/daztr/ein-schwarzer-tag-fuer-europa
0.416322
0.583678
0.855851
0.346873
0.324235
0.225417
0.351311
0.469277
0.747616
0.609524
0.096706
0.395601
0.590779
0.279828
0.891811
0.615088
0.799442
0.597843
0.33372
0.759225
0.05921
0.082697
0.030676
0.098079
0.020646
0.977371
0.646906
0.917303
0.504883
0.924142
0.339828
0.191933
0.550124
0.264358
0.003273
0.395134
0.015906
0.999608
0.001598
0.999993
0.001701
0.000357
0.076961
0.129403
0.145115
0.03259
0.0341
0.016403
0.091382
0.996827
0.00407
0.044019
0.012054
0.014504
0.741674
0.96641
0.025565
0.011687
0.030676
0.085099
0.985936
0.132066
0.818737
0.00573
0.048137
0.109706
0.667148
0.028008
0.746139
0.139396
0.196826
0.610453
0.844922
0.76769
0.08152
0.000883
0.175538
0.021287
0.00461
0.99859
10
Schwans Kandidatur Im falschen Rennen
Natürlich musste die SPD einen Kandidaten aufstellen. Das neue System aus fünf Parteien zwingt alle mehr als zuvor, bei jeder Gelegenheit die eigenen Optionen zu mehren. Und diese Gegen-Kandidatur von Gesine Schwan bringt der SPD, das zeigen bereits die ersten Tage nach der Entscheidung, Bewegungsspielräume. Dass die Gegner drohen und den Vorgang nutzen, um früher als geplant ihren Lager-Wahlkampf einzuläuten, das ist ebenso nahe liegend wie unerheblich. Politiker von Union und FDP, Leitartikler von Zeit und FAZ versuchen mit hohem Rede- und Zeilenaufwand, das politisch und moralisch Verwerfliche an dieser Tat dem Publikum begreiflich zu machen: Da werde eine ganz, ganz schlimme Links-Regierung vorbereitet.Die Vorhaltungen sind keine fünf Minuten Debatte wert, sind sie doch ohne Grund und Boden: Das Amt des Bundespräsidenten ist so unbedeutend geworden, dass von der Wahl machtpolitisch weder das eine noch das andere Signal ausgeht; das mag bei Gustav Heinemann anders gewesen sein - vor 40 Jahren. Wenn Gesine Schwan ein Markenzeichen hat, dann ihre lebenslange Beschäftigung mit den politisch verderblichen Seiten von Sozialisten und Kommunisten und ihren anti-kommunistischen Kampf. Und zudem weiß jedes Kind, dass es 2009 zu keiner rot-rot-grünen Koalition kommen wird, ist die SPD doch so derangiert, dass sie nie und nimmer das Kraftzentrum einer solchen Regierung sein könnte.Interessanter ist die Frage, ob in dieser Gegenkandidatur eine Alternative zu Horst Köhler steckt. Köhler versucht sich als Bürger-Präsident zu positionieren, der den politischen, auch den wirtschaftlichen Eliten sagt, sie hätten mal wieder über die Stränge geschlagen. Grundeinkommen, zu hohe Managergehälter, mehr Bürgerbeteiligung, Finanzmärkte als Monster - da kommen schon einige Wortmeldungen zusammen. Bei allem: Er ist Agenda-2010-Liebhaber geblieben und Marktradikaler zugleich, aber anständig soll es zugehen auf der Welt. Was böte Gesine Schwan? Als Wissenschaftlerin, die sich mit der Entlarvung freiheitsschädlicher kommunistischer Ideologien und dem Brückenschlag zwischen Ost- und Westeuropa beschäftigt, sich dabei viel Anerkennung erarbeitet hat, ist sie nicht aus dieser Zeit gefallen. Aber was würde sie, die Kanzler Schröder ebenfalls wegen seines Einsatzes für die Agenda 2010 schätzt, so viel anderes sagen als Köhler dies ohne ihre Eloquenz tut?Was beschäftigt diese Gesellschaft? Die große Mehrheit der politischen Elite - die wirtschaftliche Elite sowieso - konzentriert sich auf die Aufgabe, diese hocheffiziente, bereits auf Hochtouren laufende weltweit präsente Wirtschaftsmaschine Deutschland noch wettbewerbsfähiger zu machen. Der Mehrheit der Bürger fliegen seit Jahren die Konsequenzen dieser Politik um die Ohren, hat diese doch umstürzlerische Folgen für millionenfache Alltage. Der jüngste Armutsbericht gibt Einblicke, die vielfältigen Unsicherheiten, die Menschen bedrängen, erzählen auch davon. Diese Mehrheit meint deshalb, man müsse sich endlich in der Hauptsache mit diesen Folgen beschäftigen und nicht länger der Aufgabe, diese Maschine noch hochtouriger zu machen. Es ist also die Stunde für Auseinandersetzungen über eine neue Gesellschaftspolitik, für die ein in der Welt der Ökonomie Gefesselter und eine, die vor allem alte Gefahren der Freiheit im Blick hat, vermutlich wenig Gespür haben. Und das Thema "mehr Vertrauen schaffen", das beide mit Inbrunst intonieren, ist eben auch nur nett. Wenn Horst Köhler der falsche Kandidat ist, ist sie nicht die Richtige.So ist die Kandidatur von Schwan weniger für die Gesellschaft denn für die SPD von Bedeutung. Sie signalisiert, dass die Erneuerungsarbeit der SPD bis auf weiteres abgeschlossen ist. Allein die kleinen Korrekturen, die Kurt Beck durchsetzte, brachten die Partei aus dem Tritt und ihren Parteivorsitzenden dem Abgrund näher. Es wird - daran ändert auch das neue Steuerkonzept nichts - an einer Alternative zur CDU nicht weiter gearbeitet werden. Die Risiken sind zu groß. Der Partei fehlt die Kraft. Man wird sich weiter mit Hilfe von Lupe und Seziermesserchen auf die Suche nach Unterschieden zwischen CDU und SPD machen müssen. Wo Inhalte sich gleichen, schlägt die Stunde des Marketings.Das Produkt ist die Kandidatur Gesine Schwan - zwar nur eine Wiederholung, aber immerhin eine Option, sich mit einer wachen, intellektuellen, eloquenten Politikerin Aufmerksamkeit zu verschaffen, ohne intern weitere Verwerfungen auszulösen. Die Sozialdemokraten bedachten bei diesem Coup nur eines nicht. In ihr spiegelt sich die Fahlheit der beiden potenziellen Kanzlerkandidaten schärfer wieder, als den Beteiligten lieb sein kann.So geht mit Gesine Schwan die beste momentan verfügbare Kanzlerkandidatin der SPD in ein Rennen um das falsche Amt. Der Coup wird deshalb zur Last.
Wolfgang Storz
Schwans Kandidatur war ein Coup, der für die SPD zur Last wird
[]
Politik
2008-05-30T00:00:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/wolfgang-storz/im-falschen-rennen
0.437823
0.562177
0.796925
0.700895
0.401219
0.413004
0.38122
0.40592
0.740174
0.747616
0.327668
0.546012
0.822189
0.365683
0.913677
0.83762
0.528533
0.198064
0.319121
0.560012
0.100879
0.391406
0.221351
0.714628
0.051845
0.249447
0.713032
0.976669
0.491883
0.242206
0.127653
0.016403
0.403097
0.834407
0.014957
0.240775
0.125923
0.76207
0.035145
0.051083
0.877477
0.000245
0.33112
0.073696
0.994615
0.092688
0.042088
0.038466
0.062789
0.049589
0.014504
0.092688
0.015906
0.060087
0.991153
0.139396
0.111241
0.167763
0.120026
0.068537
0.07056
0.926304
0.996517
0.037327
0.039048
0.048858
0.047426
0.040238
0.874077
0.194368
0.629775
0.183594
0.253861
0.259826
0.003075
0.004755
0.921922
0.35488
0.023331
0.285372
11
Herbst Kann ein Blog sterben?
Dieser Blog kommt aus der Zukunft. Sie ist grauenhaft.... mit diesen Worten ist der Blog archinaut: vor drei Jahren vom Stapel gelaufen.... 365 Folgen stehen jetzt in der Vergangenheit wie alles andere, was Dich je in Deinem Leben erreicht hat.Was auch immer wir schreiben, kann untergehen, bevor es einer empfänglichen Menschenseele begegnet.... was ich in das Netz entlassen habe, hat einige erreicht, worüber ich mich freue, und der Wunsch bleibt, dass es noch andere finden, eines Tages..... in einer Zukunft, die hoffentlich nicht grauenhaft ist.Denn die Zukunft ist formbar, aber sie wartet nicht auf uns. Der einzige Moment, in dem wir die Zukunft gestalten können, ist doch gerade dieser eine Moment Gegenwart: jetzt.Wer weiß, vielleicht die richtige Stelle, die Legende vom armen Drachentöter einzuflechten...?Noch nicht lange her, da bedrohte eine feuerspeiender, jungfrauen- und hartgeldfressender Drachen die Inselstadt.... wohnte versteckt in den Dünen, überfiel arme Fischer und reiche Kaufleute, und alle Insulaner hatten unter seinem unmäßigen Hunger schwer zu leiden.... Ach, wenn der Drachen doch bald sterben wollte, so hofften sie und beteten wohl auch gelegentlich zu ihren Göttern....Kam schließlich ein armer Seefahrer, der sein Schiff im Sturm verloren hatte, suchte einen Platz zum Leben und bot seine Dienste an, bis er eines Tages das gefräßige Geheimnis der Insel entdeckte.... Was gebt Ihr mir, wenn ich den Drachen für Euch töte? fragte er, aber die Insulaner konnten den Sinn seiner Rede nicht verstehen. Den Drachen hat noch niemand besiegt, beschieden sie ihm, warum also sollte es ausgerechnet Dir gelingen? Weil ich nichts zu verlieren habe, sagte der schiffbrüchige Seefahrer.Was uns der Drachen nimmt, lassen wir ihm nicht gern, sagten sie, wir sind arm und haben nicht viel, wie also könnten wir Dir freiwillig irgendetwas geben? Andere sagten sogar: Der hungrige Drache schützt unsere Küsten vor schiffbrüchigen Seefahrern, die auf unsere Jungfrauen scharf sind.... warum sollten wir was gegen den Drachen unternehmen?Der arme Seefahrer träumte natürlich von der schönen Königstochter, aber eine auskömmliche Ganztags- oder Teilzeitstelle hätte ihm auch schon geholfen, selbst über einen kleinen Garten hätte er sich gefreut, um Kartoffeln und Nudeln anzupflanzen..... (an diesem Wunsch lässt sich erkennen, dass er leider nicht besonders klug war). Aber er musste nun einsehen, dass die Insulaner ihm nicht vertrauten.So sagte er: Ich verlange nichts von Euch, bevor ich den Drachen erledigt habe..... trotzdem werde ich gehen, ihn zu töten..... und ich möchte Euch darum bitten, jeden Morgen ein Glas frisches Wasser an den trockenen Baum vor den Dünen zu stellen, solange mein Kampf mit dem Untier dauert, als Zeichen dafür, dass Ihr an mich denkt.Dann ging er in die Dünen vor dem Strand, wo der Drachen lebte.Am ersten Tag brachte ein altes Mütterlein ein Glas frisches Wasser zum trockenen Baum – als junges Mädchen war sie eine Woche in der Gewalt des Drachens gewesen, und ihre Tränen waren schon in der ersten Nacht erfroren.Am zweiten Tag brachte ein alter einbeiniger Fischer ein Glas frisches Wasser zum trockenen Baum – als junger Mann hatte er mit dem Drachen gekämpft und sein Weib, seine Kate, sein Schiff und sein Bein verloren in einer Nacht.Am dritten Tag brachten zwei Kinder ein Glas frisches Wasser zum trockenen Baum – im letzten Winter war ihr liebster Freund verhungert.Am vierten Tag aber hatten die Insulaner den schiffbrüchigen Seefahrer in den Dünen vergessen.Und als der Herbst kam, flog der Drachen über die Stadt.... ließ sich nieder mitten auf dem Marktplatz, wühlte ihn mit dem neunfach gepanzerten Drachenschweif auf, dass die Pflastersteine auf die stolzen Bürgerhäuser der ersten Reihe niederprasselten und legte zwölf glänzende Eier in den morastigen Grund...... Drachen sterben selten eines natürlichen Todes, so will es die Fabel. Jeder Drache wartet auf den, der ihn überwindet, wir wissen es spätestens, seit Jim Knopf uns die Augen öffnete.So wie dieser Blog archinaut: erst sterben kann, wenn darin keiner mehr lesen will......Hier endet der 365. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO: Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.NextBackKlick zum Gästebuch
archinaut
.... wenn Drachen steigen
[]
Kultur
2012-09-14T02:22:00+02:00
https://www.freitag.de//autoren/archinaut/kann-ein-blog-sterben
0.646906
0.353094
0.787931
0.360264
0.493317
0.510619
0.431105
0.487917
0.844922
0.487246
0.191933
0.379838
0.360264
0.156105
0.824462
0.214691
0.454472
0.699254
0.287768
0.603932
0.541894
0.375706
0.695958
0.585575
0.421552
0.066569
0.550366
0.252384
0.561455
0.942507
0.347759
0.148047
0.928409
0.631594
0.361165
0.279828
0.612773
0.338952
0.637031
0.002801
0.031144
0.001549
0.145115
0.047426
0.738669
0.54577
0.398875
0.220007
0.294215
0.206894
0.069542
0.145115
0.139396
0.07921
0.946597
0.175538
0.046725
0.124213
0.132964
0.035145
0.046034
0.770465
0.760651
0.194368
0.141281
0.455925
0.038466
0.020646
0.882428
0.126785
0.098079
0.141281
0.106691
0.726426
0.229535
0.636127
0.706596
0.190724
0.218669
0.017986
12
Jung & Naiv Folge 69: Was ist los in Ägypten?
Nachdem sich gestern im Laufe des Tages abzeichnete, dass das Militär in Ägypten gegen Präsident Mursi putscht, brauchte ich im Laufe des Abends erstmal ein wenig Einordnung. Dazu habe ich den Autor und Journalisten Sultan Sooud Al-Qassemi, der zu den bekanntesten und bestvernetzten Menschen im Nahen Osten und der Arabischen Welt gehört, spontan zu einem "Jung & Naiv"-Live-Hangout eingeladen.Ich wollte von Sultan wissen: Was ist da soeben in Kairo passiert? Was ist überhaupt ein Militärputsch? Warum freuen sich die Menschen auf den Straßen so darüber? Wer ist überhaupt dieser Mursi und diese Muslimbrüder? Ist nicht vor 2 Jahren erst ein Pharao in Ägypten gestürzt worden? Und wie geht's jetzt weiter? Und weil es ja ein Coup des Militärs war, habe ich noch meinen Peng-und-Bumm-Experten Thomas Wiegold dazugeholt. Am Ende sind's 55 erfrischende Minuten (auf Englisch) geworden. In den letzten 20 Minuten habe ich Sultan zudem eure Fragen gestellt, die im Laufe und vor der Sendung per Twitter und Facebook eintrudelten. Wie funktioniert "Jung & Naiv" via Google Hangout? Kann man mal öfter machen?Feedback? Sharing? Yes, please.www.jungundnaiv.de
Jung & Naiv
Was ist da in Kairo passiert? Und was ist überhaupt ein Militärputsch? Warum freuen sich die Menschen auf den Straßen so darüber?
[ "Mohammed Mursi" ]
Politik
2013-07-04T13:41:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/tilo-jung/episode-69-was-ist-los-in-aegypten
0.67104
0.32896
0.744656
0.475727
0.490907
0.245085
0.38769
0.601594
0.695958
0.436862
0.51623
0.26588
0.250913
0.322526
0.817575
0.674908
0.413004
0.432543
0.293404
0.324235
0.572723
0.413477
0.373876
0.193147
0.300746
0.353986
0.611382
0.105211
0.609059
0.873215
0.190724
0.112795
0.90053
0.148047
0.350421
0.848972
0.908618
0.592667
0.724091
0.001099
0.009413
0.998402
0.016403
0.106691
0.700895
0.31237
0.239349
0.181263
0.255344
0.182426
0.288569
0.658418
0.612773
0.521837
0.480357
0.29584
0.783988
0.520374
0.637031
0.444083
0.114369
0.07056
0.106691
0.156105
0.610453
0.852935
0.185947
0.456652
0.67405
0.718594
0.610453
0.040238
0.619701
0.07477
0.73412
0.048137
0.001598
0.441191
0.009413
0.040846
13
Telekom-Streik Es geht um fast alles
Scheinbar alles wie gehabt: Gewerkschaftsfahnen, Transparente, Trommeln, lokal begrenzte Nadelstich-Streiks und die Hoffnung auf den erträglichen Kompromiss. Aber was durch den aktuellen Export-Hype bei den Metallern noch einmal funktioniert hat, ist nicht nur bei der Telekom längst Nostalgie. Dem "Rausch des Aufschwungs" (Die Zeit) kann angesichts der wackligen Weltkonjunktur alsbald der große Kater folgen. Ganz unabhängig vom aktuellen Export-Boom geht so in vielen Branchen der soziale Kahlschlag ungebremst weiter. Der beispiellose Versuch der Telekom, 50.000 Beschäftigte bei drastischer Lohnsenkung und Arbeitszeitverlängerung in Tochtergesellschaften auszulagern, markiert eine neue Qualität des Bruchs mit dem Nachkriegs-Sozialkompromiss.Ein Gelingen dieser Attacke hätte Signalwirkung für die Gesamtgesellschaft. Die Konzerne stehen schon in den Startlöchern, um einschlägige Maßnahmen ähnlichen Ausmaßes durchzuziehen. Nicht der situationsabhängige relative Erfolg der Metaller, sondern Outsourcing, Billiglohn und Mehrarbeit bilden die Haupttendenz. Dass ehemalige Kernbelegschaften nicht mehr ausgenommen sind, hat sich bereits bei VW oder Siemens gezeigt. Der nationalökonomische Korporatismus von Management, Politik und Gewerkschaften zersetzt sich mit wachsender Geschwindigkeit. Dazu gehört auch die forcierte Privatisierung der öffentlichen Infrastrukturen in den vergangenen 15 Jahren. Durchweg folgte eine Verschlechterung und Chaotisierung der Dienste; im nunmehr börsenorientierten Telekom-Konzern kein Wunder, angesichts von nicht weniger als 17 hektischen Umorganisationen und einer Halbierung der Belegschaft. "Euer Service taugt zwar nichts, aber ihr habt wenigstens noch einen", so die Aussage eines frustrierten Kunden.Aber es geht eben nicht mehr um den sachlichen Inhalt, sondern um die Vorgaben der Finanzblasen-Ökonomie, wie sie aus der Verwertungsschranke des produktiven Kapitals resultiert. Bei der Telekom ist es nicht zuletzt der Finanzinvestor Blackstone, der den Kurs von Konzernchef Obermann programmiert. Es rächt sich jetzt, dass auch die Gewerkschaften auf die Umwälzung der Verhältnisse nur mit national-keynesianischer Rückwärtsorientierung und ideologischer "Heuschrecken"-Rhetorik gegen das "raffende Kapital" reagiert haben, statt sich dem globalisierten Krisenkapitalismus zu stellen. Bei der Telekom wurde der galoppierende Personalabbau durch "sozialverträgliche" Kompromissstrukturen mitgetragen, einschließlich einer in Aussicht gestellten Absenkung der Einstiegslöhne. Nun sind die alten Rituale am Ende. Es geht nicht mehr um verhandelbare Details, sondern um die Existenz; sowohl für die Beschäftigten als auch für die Gewerkschaft. Ein Handicap ist der aus Vorzeiten überhängende Beamten-Status vieler Beschäftigter, die nicht streiken dürfen.Die Kampfbereitschaft ist dennoch groß. Allerdings stellt sich die Frage, ob Verdi den Mumm aufbringt, ohne Rücksicht auf den zu erwartenden Aufschrei in Medien und Politik die Kommunikationsadern tatsächlich ernsthaft lahm zu legen; mit einschneidenden Folgen für Banken, Konzerne, womöglich den G8-Gipfel. Dazu bedürfte es wohl einer mehr als bloß passiven übergreifenden Solidarisierung. Die Wirtschaftspresse glaubt daran nicht; die üblichen Experten erwarten geringe Auswirkungen. Obermann kündigt schon locker den Verkauf der strittigen Unternehmensteile an. Wenn aber die Konfrontation mit einer kaum verhüllten Kapitulation endet, drohen die Dämme weit über den Kommunikationssektor hinaus zu brechen. Die Gewerkschaften werden dann noch schneller als bisher ausbluten, weil niemand mehr an ihre Eingriffsmacht glaubt. Dieser Streik ist kein gewöhnlicher Tarifkonflikt, sondern ein Menetekel für künftige soziale Strukturen.
Robert Kurz
Verliert Verdi, wird niemand mehr an die Eingriffsmacht der Gewerkschaften glauben
[]
Politik
2007-05-18T00:00:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/robert-kurz/es-geht-um-fast-alles
0.361503
0.638497
0.822189
0.435901
0.196826
0.289372
0.495972
0.496475
0.795658
0.371137
0.279828
0.159217
0.302391
0.566978
0.903294
0.567937
0.375706
0.553023
0.239349
0.680029
0.065605
0.194368
0.009126
0.103749
0.014957
0.985043
0.823328
0.03359
0.559049
0.33372
0.250913
0.037327
0.014064
0.019419
0.001032
0.09401
0.007577
0.992879
0.000029
0.982557
0.08389
0.000012
0.013637
0.483405
0.08882
0.060975
0.024423
0.012821
0.037327
0.995532
0.015425
0.075858
0.008062
0.016403
0.193147
0.945801
0.120853
0.033086
0.021948
0.128525
0.988313
0.042088
0.034619
0.025957
0.008577
0.07477
0.987179
0.025565
0.046725
0.142232
0.455441
0.201813
0.243642
0.608594
0.006693
0.00573
0.035145
0.000667
0.013223
0.999949
14
Sportplatz Praktizierte Osterweiterung
In Chemnitz fanden gerade die Europa-Wochen statt, und passend dazu machte die traditionell über Tschechien, Polen und (Ost-) Deutschland führende Friedensfahrt in der Stadt mit dem Marx-Schädel Station. Diese bekannte Rad-Etappenfahrt war vor 1989 hochoffiziell - und irgendwie auch praktisch - der Völkerfreundschaft gewidmet. Zwar äußerte sich diese Freundschaft ausgerechnet über Konkurrenz, etwa in der zwischen Respekt und Wut oszillierenden Gefühlslage der DDR-Radsportanhänger gegenüber Aavo Pikkuus oder Dshamolidin Abdushaparow, den großen sowjetischen Gegenspielern der eigenen Idole Hans-Joachim Hartnick und Olaf Ludwig. Aber Distanz, kritische Distanz zumal, fördert eben auch Verständnis. Objekte grenzüberschreitender Verehrung waren die polnischen Asse Ryszard Szurkowski und Stanislaw Szozda, denen manch Schrein in Aue, Ludwigsfelde oder Parchim errichtet wurde. Später, in den frühen neunziger Jahren, bewies das Radrennen, welche Potenziale in der Osterweiterung Europas liegen könnten. Es waren vor allem die Tschechen, mobilisiert von der einstigen Friedensfahrtlegende Pavel Dolezel, die die von Deutschen und Polen im Stich gelassene Tour retteten. 1993 und 94 zirkulierte die Rundfahrt nur auf tschechischem Boden. Seit 1995 sind die Deutschen wieder dabei. 1996 stiegen auch die Polen als Ausrichter wieder ein. Noch immer halten die Tschechen die Fäden der Organisation in ihren Händen. International aufgeteilt sind die übrigen Tätigkeitsfelder bei der Tournee. Die Deutschen, als die Partner mit dem potentiell meisten Geld, haben das Marketing übernommen. Neben dem Fahrzeugsponsor aus Niedersachsen engagieren sich vor allem ostdeutsche Betriebe. Der Werbetross, der sich vor der Fahrerkolonne über den Asphalt wälzt, umfasst mittlerweile über 30 Fahrzeuge und kann bis zu zwei Kilometer lang werden. Die Polen wiederum sind offenbar für das Fahren zuständig. Die diesjährige Friedensfahrt haben sie jedenfalls dominiert. Zwar waren sie mit offiziell schlechter eingestuften Teams am Start - zwei GS II und drei GS III-Mannschaften, während auf deutscher Seite jeweils drei GS I- und GS II-Abordnungen gemeldet waren - aber die entscheidenden Etappen gewannen Angestellte polnischer Profi-Rennställe. Erst überzeugten auf der sogenannten Königsetappe von Mlada Boleslaw nach Chemnitz über 231 Kilometer der für CCC Polsat startende Piotr Przydzial (Polen) und sein tschechischer Mannschaftskollege Ondrej Sosenka mit einer atemberaubenden Fahrt vor dem Feld. Drei Minuten hatten sie am Ende Vorsprung. Und beim Mannschaftszeitfahren sicherten sich die Kollegen von Mroz den Tageserfolg. Mroz hat die Osterweiterung auf eigene Art verstanden. Das nominell polnische Team beschäftigt zwei Polen, zwei Litauer, einen Ukrainer und einen Kirgisen. Die multinationale Truppe lag recht deutlich vor dem deutsch-spanisch-dänischen Team Coast. Telekom landete - geschwächt durch zwei Ausfälle in den Tagen davor - noch hinter weiteren Polen, Deutschen, Dänen und Holländern abgeschlagen auf Rang acht. Der überraschende Ausgang liegt - neben der aktuellen Tagesform - vor allem an der unterschiedlichen Herangehensweise der Rennställe. Für die polnischen Teams ist die Friedensfahrt - neben Weltmeisterschaften - der jährliche Höhepunkt. Die Trainingspläne sind auf die zehn Tage im Mai abgestimmt, die Motivation ist hoch. Für Telekom, Coast oder Nürnberger ist die Friedensfahrt hingegen nur Durchfahrstation. Einzig dem Team des sächsischen Hühnerzüchters Wiesenhof kann man überdurchschnittliches Engagement an der Rundfahrt unterstellen. Ausgerechnet Wiesenhof hatte auf dieser Tour aber damit zu kämpfen, dass die Stasi-Mitarbeit ihres sportlichen Leiters Michael Schiffner (ehemals auch DDR-Friedensfahrt-Kapitän) und des Marketing-Chefs von Tour und Rennstall, Jörg Sprenger, auch außerhalb der Radsportszene bekannt wurde. Zwar setzte umgehend ein großer Beschwichtigungsreigen ein, aber wie schon weiland Lothar de Maizière wusste, ist das Kapital ein scheues Reh; erst recht das gerade noch sponsorwillige. Die Verunsicherung über die Zukunft des Rennstalls dürfte sich durchaus auf die Leistung niedergeschlagen haben. Aber wie hieß es im Fahrerlager angesichts der Bedrohung der Fahrt durch die Stasi-Vorwürfe? "Es kümmert sich auch keiner darum, bei welchen Rennen in Italien die Mafia mit drinsteckt." Wovor mancher sich im Hinblick auf den Osten fürchtet, sitzt westlicherseits bereits am Tisch.
Tom Mustroph
In Chemnitz fanden gerade die Europa-Wochen statt, und passend dazu machte die traditionell über Tschechien, Polen und (Ost-) Deutschland führende ...
[]
Kultur
2002-05-24T00:00:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/tom-mustroph/praktizierte-osterweiterung
0.583203
0.416797
0.746139
0.491212
0.508666
0.362067
0.668015
0.210766
0.811676
0.540681
0.264358
0.347759
0.479626
0.151028
0.894789
0.786623
0.277473
0.343342
0.30819
0.389082
0.336331
0.247987
0.314893
0.611846
0.181263
0.23231
0.409693
0.850965
0.344223
0.05921
0.225417
0.136608
0.890294
0.032101
0.804406
0.184767
0.073696
0.106691
0.798187
0.002323
0.31237
0.353986
0.342462
0.670608
0.507934
0.433022
0.416322
0.455925
0.157137
0.080357
0.043366
0.08152
0.044019
0.090093
0.9659
0.015425
0.166675
0.410165
0.221351
0.055005
0.043366
0.532182
0.392803
0.120026
0.214691
0.390941
0.140336
0.184767
0.588416
0.704973
0.484014
0.2227
0.960952
0.09947
0.100879
0.594551
0.112795
0.849971
0.041462
0.026355
15
#FridaysforFuture Die Fehlbaren
Hach ja, da stehen sie nun jeden Freitag und demonstrieren. Gegen den Klimawandel. Da stehen sie, diese unvollkommenen, unmoralischen Minderjährigen und stellen Forderungen. Wie können sie nur!? Viele von denen essen bestimmt Fleisch, werden mit dem SUV in die Schule gefahren – wenn sie nicht gerade blau machen, denn darum geht es ja eigentlich! –, und einen Abschluss in Umwelt-Rettungs-Dings streben auch nicht alle an. Sollen sie sich doch erst mal an die eigene Nase fassen und etwas an ihrem Leben verändern!So in etwa klingt ein erheblicher Teil der öffentlichen Rezeption der FridaysforFuture-Bewegung, die derzeit von sich reden macht. Entweder werden die protestierenden jungen Leute als lernfaul oder aber als inkonsequent abgestempelt, belächelt – ach, moralisch verurteilt.In der Westdeutschen Zeitung schreibt ein Lehrer etwa: "Alle [...]1 sollten sich zunächst an ihre eigene Nase fassen und bei sich selbst und in ihrem Umfeld beginnen, das Klima zu verändern. Das ist manchmal nicht so lustig wie zu streiken, aber es wäre ein ehrlicher Anfang. Erst anschließend sollten sie mitstreiken. Oder besser am Samstagnachmittag demonstrieren gehen, anstatt Fußball zu gucken oder zu Primark zu gehen. Dann würden wirklich nur die Schüler und Studenten kommen, denen das Klima wirklich am Herzen liegt. (Und ich hoffe, es kämen viele!)"Mit dieser Logik ist er keinesfalls allein. Die Kinderausgabe des Nachrichtenmagazins der Spiegel twitterte vor ein paar Tagen ein Bild von demonstrierenden Schülerinnen und Schülern, die zwischendurch schnell zu McDonalds gegangen waren und dort Burger gekauft hatten, „einzeln eingepackt und eher nicht besonders klimafreundlich produziert“.2 Und auch abseits der etablierten Medien liest man in so ziemlich allen Kommentarspalten: Die schieben doch die ganze Verantwortung auf den Staat ab! Schaut euch mal ihre Kleiderschränke an! Aber diese Kinder fliegen ja auch in den Urlaub! Die Jugend hat es verstanden Es ist zum verrückt werden. Da gehen junge Menschen für eine gute Sache auf die Straße, und die Antwort, die sie erhalten, lautet: Ihr seid nicht moralisch perfekt. Ihr habt moralisch kein Recht zu demonstrieren. Hört mit der Politik auf und ändert individuell etwas.Davon abgesehen, dass ein großer Teil der Menschen auf der Straße das längst versucht, ist diese Forderung beinahe lächerlich. Sollen nur noch moralisch einwandfreie Menschen Kritik äußern dürfen? Das wäre das Ende jeder Kritik. Auch die Vorstellung, individuell sei der Klimawandel zu stoppen, ist ein fataler Irrglaube. Als könnte der Klimawandel – oder sonst irgendein globales Problem – über individuelles Konsumverhalten gelöst werden. Und noch mehr: Als könnte irgendjemand im Globalen Norden nicht über die Verhältnisse der Menschen anderswo und zukünftiger Generationen leben. Als hätten wir nicht strukturelle Probleme, die die Zerstörung des Planeten befeuern, teilweise sogar erst ermöglichen. Gerade das haben viele der jungen Leute verstanden.Der Soziologe Stephan Lessenich verweist treffend darauf, dass die Bevölkerungen im reichen Globalen Norden die Folgen ihres Lebensstils auf andere Menschen – in anderen Teilen der Welt und in zukünftigen Generationen – abwälzen. Sie tun das, weil die Strukturen es erlauben, also weil sie es können. Gleichzeitig betont Lessenich, dass die Menschenim reichen Nordennicht anders können. Es ist unter den gegenwärtigen Bedingungen beinahe unmöglich, hierzulande ökologisch verträglich zu leben – was wiederum explizit nicht heißt, dass man es nicht versuchen sollte.Sicher tragen Individuen Verantwortung für ihr Handeln, selbstverständlich sollten sie versuchen, klima- und umweltfreundlicher zu leben. Was sie nicht sein müssen, ist unfehlbar. Was sie nicht haben, ist individuelle Schuld an der Misere. Am allerwenigsten ein Haufen junger Menschen, denen die Politik weder Wahlrecht, noch echte Strafmündigkeit zuspricht.Es geht nur gemeinsamDie Rezeption der FridaysforFuture-Proteste bringt nicht nur streckenweise Verachtung für junge Menschen ans Tageslicht. Viel mehr noch zeigt sie die Geringschätzung für politisches Handeln, das diesen Namen verdient. Das Mantra vom einzelnen Menschen, der die Welt allein verändern kann und muss, ist zutiefst unpolitisch – und es macht krank, indem es alle gesellschaftlichen Probleme auf den Schultern einzelner ablädt.Wir halten den Klimawandel, die Zerstörung dieses Planeten gemeinschaftlich – das heißt politisch – auf, oder wir werden scheitern. Änderungen des individuellen Konsumverhaltens können die Folgen des Klimawandels weniger schlimm machen, aber ihn niemals verhindern oder auch nur an einem ansatzweise annehmbaren Punkt stoppen.Die Fehlbaren von #FridaysforFuture scheinen das begriffen zu haben. Deswegen sind sie ungehorsam und für die Mächtigen unangenehm – allen billigen Versuchen der Vereinnahmung, etwa durch die Bundeskanzlerin, zum Trotz. Mögen sie standhaft bleiben, politisch wachsen – und vor allem noch viel mehr werden.1 Hier nennt er einige beispielhafte Schülerinnen und Schüler, denen er quasi Doppelmoral unterstellt. Er spricht anderen nicht ab, individuell schon zu versuchen, das Klima zu verändern. An der grundsätzlichen Forderung, bei einer Beteiligung eine möglichst weiße Weste zu haben, ändert das nichts. 2 Der Tweet von Dein SPIEGEL ist nach einiger Kritik inzwischen gelöscht, die Diskussion geht aber weiter: https://twitter.com/Dein_SPIEGEL/status/1101430263551283200
Franz Hausmann
Klimaschutz ist in erster Linie keine individuelle Aufgabe, sondern eine kollektive. Das scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben
[ "Globale Erwärmung" ]
Politik
2019-03-04T18:55:00+01:00
https://www.freitag.de//autoren/franzhausmann/die-fehlbaren
0.45423
0.54577
0.668015
0.46223
0.262842
0.214691
0.688468
0.326808
0.874935
0.485478
0.3863
0.365683
0.38769
0.277473
0.833325
0.750553
0.58747
0.611382
0.324235
0.233706
0.488466
0.616936
0.442877
0.143188
0.067547
0.348645
0.897695
0.97024
0.985496
0.912436
0.413004
0.306527
0.927363
0.214691
0.148047
0.896251
0.163445
0.901921
0.057493
0.971129
0.002551
0.010987
0.109706
0.052619
0.956634
0.133867
0.136608
0.082697
0.177811
0.134776
0.098079
0.584153
0.275909
0.595022
0.73412
0.225417
0.205615
0.283781
0.23793
0.147065
0.133867
0.851953
0.887205
0.246533
0.306527
0.250913
0.226784
0.249447
0.799442
0.550366
0.233706
0.163445
0.460774
0.23092
0.09947
0.240775
0.647798
0.440951
0.809276
0.524395
16
Netzgeschichten Apostel, Kunde, Freund
Manchmal kann das Internet ganz schön entlarvend sein. Auf welche Weise sich ein Musiker auf seiner Webseite präsentiert, verrät zum Beispiel viel darüber, wie er seine Fans sieht.Für Pete(r) Doherty etwa scheinen sie eine Art moralischer Instanz zu sein. Zur Veröffentlichung seines Solo-Albums ­Grace/Wastelands hat sich der Sänger bei Myspace angemeldet und macht dort ganz auf braver Bub. Auf myspace.com/gracewastelands blickt er einem aus einem kleinen Schwarz-Weiß-Porträt so dermaßen unschuldig und leidend entgegen, dass man ihm am liebsten sagen möchte, es sei doch alles gar nicht so schlimm. Eingerahmt ist das Foto von braunen Kästen in Papp-Optik, einen füllt ein Text, der auf 15 Absätzen versucht, den „wahren“ Doherty vorzustellen, und um Verständnis für dessen ausschweifenden Lebensstil heischt. Zum Beispiel habe er es als Kind „immer schwer gehabt Freunde zu finden“, weil er so oft umziehen musste.Nach der Veröffentlichung war das ­Grace/Waste­lands-Album für einige Tage komplett auf der Seite anzuhören, vermutlich als Entschädigung für zugedröhnte und abgesagte Konzerte des Musikers. Die Videos auf der Seite stammen übrigens von zwei verschiedenen Dohertys: Pete und Peter. Kein Tippfehler, der Künstler hat zu seinem 30 Geburtstag entschieden, ein „r“ an seinen Vornamen anzuhängen, um reifer zu wirken. Ein unterstützenswertes Vorhaben, wobei er es ja auch mal mit ein paar nüchternen Auftritten versuchen könnte.Professioneller gestaltet sind das Myspace-Profil von Madonna und ihre Webseite madonna.com. Hier wird schnell klar, dass sie die Fans in erster Linie als Konsumenten versteht. Es gibt alles zu kaufen: Madonna-Kinderbücher und Madonna-Filme – wobei man aufpassen sollte, etwa die Hälfte der angebotenen Filme war verdienterweise für die Goldene Himbeere, den Anti-Oscar, nominiert. Zu Specials wie Madonna-Bildschirmschonern und Verlosungen von Tickets haben allerdings nur Mitglieder ihres Fanclubs Zugang, mit dem richtigen Passwort.Madonna wirbt auf der Seite außerdem für ihre Stiftung „Raising Malawi“, die Kinder in dem afrikanischen Land unterstützt, auch ohne dass sie sich von dem Star adoptieren lassen müssen. Die Adresse ihrer Homepage musste Madonna sich übrigens vor Jahren vor Gericht erstreiten. Unter madonna.com hatte zuvor ein New Yorker Geschäftsmann Pornos ins Netz gestellt. Das schädige ihr Image klagte die Sängerin – und bekam die Adresse schließlich zugesprochen.Die Alternativ-Rocker von Radiohead wiederum scheinen Fans eher als Freunde begreifen zu wollen, denen man ohne weiteres vertrauen kann. Auf radiohead.com ließ sich das komplette Album In Rainbows herunterladen – zu einem selbst bestimmten Preis und in der Hoffnung, dass die Fans schon eine annehmbare Summe zahlen würden. Bis jetzt gaben die Musiker allerdings nicht bekannt, welches Geschäft sie mit den Downloads gemacht haben. Was skeptisch macht: Beim nächsten Album wollen sie vorsichtiger verfahren. Es sollen zunächst zwei Titel im Netz angeboten werden, um zu testen, wie sich die Nutzer diesmal verhalten.
Irene Habich
Betrachten und betrachtet werden: Die Webseiten von Musikern verraten etwas über ihr Verhältnis zu den Fans und sich selbst. Ein kleiner Streifzug durchs Internet
[ "Madonna (Künstlerin)" ]
Kultur
2009-08-06T12:25:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/irene-habich/apostel-kunde-freund
0.76454
0.23546
0.771843
0.225417
0.516108
0.48182
0.461988
0.353986
0.612773
0.23793
0.38122
0.469399
0.412057
0.432543
0.732592
0.469885
0.566978
0.491395
0.399812
0.572245
0.32338
0.13569
0.218669
0.229535
0.29584
0.092688
0.431105
0.867934
0.783988
0.949669
0.50293
0.218669
0.286968
0.61878
0.406862
0.060975
0.13569
0.160266
0.00071
0.000607
0.340705
0.156105
0.105211
0.669745
0.951142
0.108189
0.072637
0.064653
0.055823
0.046725
0.063715
0.106691
0.039048
0.07921
0.985043
0.062789
0.16238
0.183594
0.239349
0.07056
0.045353
0.738669
0.576065
0.091382
0.040846
0.625209
0.184767
0.309024
0.86431
0.111241
0.028871
0.493836
0.537284
0.037327
0.052619
0.091382
0.439747
0.693473
0.042088
0.103749
17
Realität als Imagination Die Geburt der Gegenwart in der Wüste
Seit Michael Ondaatjes Buch Der englische Patient und Anthony Minghellas gleich betiteltem Film ist der Name des mit diesem Patienten identifizierten Wüstenforschers Ladislaus Eduard Almásy nicht mehr zu überhören oder zu übersehen, obwohl von ihm fast nichts zu sehen ist. Unkenntlich durch Verbrennungen liegt er, wie eine Mumie bandagiert, vor der ihn pflegenden Hana aus Kanada, die ihrem Vater als Lazarettschwester in den Zweiten Weltkrieg nachzog. Der Geschichte von Liebe und Tod dieses Patienten lauschend, wähnt Hana, sie habe sie selbst an seiner Seite erlebt, während er sein Leben aushaucht. Für Hana war es das Leben eines Heiligen, obwohl sie das Gegenteil erfährt: er war ein NS-Spion. Auch bei Grond, der den Englischen Patienten in seinen Roman integriert, stirbt dieser Patient, doch Almásy war er nicht: der Wüstenforscher und Geheimagent stirbt in einem Salzburger Sanatorium 1951. Ondaatjes historisch basierte Fiktion, für die Grond "große Bewunderung" hat, steht für ihn dennoch infrage, da "er die Welt ... gar entstellt wiederzugeben schien. Sie lässt sich nicht auf eine noch so rührende Liebesgeschichte reduzieren!"Diese Welt ist die einer "aus den Fugen geratenen" europäischen Aristokratie, die mit Beginn des 20. Jahrhunderts ihr zu Bruch gehendes Jagd- und Herrenmodell, technisch aufgerüstet, in die Wüste projiziert. Almásy, 1895 auf dem bis 1918 ungarischen Schloss Bernstein im Burgenland geboren, treibt die Leidenschaft für Geschwindigkeit dorthin. 1905 fährt er Auto; 1912 hat er den Flugschein; 1918 ist er ein mit Tapferkeitsmedaillen dekorierter Flieger des Ersten Weltkriegs; 1926 geht er als Repräsentant der Steyr-Werke nach Ägypten: hier wird er Entdecker, der, beweisbar, für den NS-Nachrichtendienst in Rommels Afrikakorps, unbeweisbar für die englische, italienische und ägyptische Seite im Zweiten Weltkrieg spioniert und mit allen Seiten Waffenhandel betreibt. Doch Gronds Ziel ist keine Biographie dieses ortlosen Entdeckers, der den Ort der Libyschen Wüste im militärischen und wissenschaftlichen Interesse, selbst aber aufgrund seiner Herrschaftsgier über den leeren Raum kartographiert, aus der bei ihm und allen vor dem Zweiten Weltkrieg schwul verbandelten "Wüstenfanatikern" die Raubgier spricht: ihr Codewort ist "Kambyses".Kambyses ist der mit seinem Heer im Sand erstickte persische Herrscher, den Herodot als Möchte-Gern-Eroberer des Jupiter-Amon-Orakels bezeugt: heute Siwa. Auf dem Weg dorthin musste, doch wo?, der Schatz verborgen sein, der die paramilitärische Forschergruppe vor und nach dem Krieg auf die transnationalen, autobereiften Beine bringt, während ihre Mitglieder im Krieg, verfeindet, sich als Geheimdienstagenten ausspionieren. Es könnte ja sein, dass mitten im Krieg die je andere Seite eine untergegangene Armee gefunden hat! Dieser Wahnsinn ist es, der Grond anstelle einer Biographie interessiert: "all die skurrilen bis phantastischen Charaktere und Ereignisse als Momente der Geburt unserer Gegenwart zu fassen und die Form des Romans daraufhin zu befragen", ist sein Programm. Befragt wird der Roman von Ondaatje, den Grond in ein "intertextuelles Spiel" verwickelt, in das er Briefwechsel und Interviews mit Zeitzeugen als historische Quellen einbezieht, die bei ihm nicht, wie bei Ondaatje, im "Fluss der Fiktion" untergehen. Denn Grond unterbricht diesen "Fluss" permanent, um neue "Momente der Geburt unserer Gegenwart" hervorzutreiben. Sie stützen sein Spiel einerseits kontextuell; andererseits wird es in ein transtextuelles Informationsnetz eincodiert, das die geschlossene Narration Ondaatjes durch eine offene Erzählung ersetzt.Wie sie zwischen Archäologie und Cyberspace navigiert, dafür das Beispiel der Pyramide, die bei Grond das unübersehbare Symbol der Paar- und Machtstruktur und das übersehene Emblem der US-Dollarnote ist: "Die Spitze der Pyramide schien, vom Sockel abgetrennt, wie ein Raumschiff abzuheben." Nicolas erinnert das ihm Gezeigte, ohne dass er das zwischen Sockel und Spitze leuchtende göttliche Auge dabei vergisst. Sein Auge forscht dem Forscher Almásy nach, da er, wie dieser 1926, einen Autokonzern in Kairo zwecks Produktmanagement des Geländewagens Almásy vertritt. Eine außertourliche Tour mit Rita ist dennoch drin: sie zwängen sich in das Königsgrab der Cheops-Pyramide. Doch kaum am uteralen Ort, fällt Nicolas in Ohnmacht und damit aus, während die Geschichte seines ebenfalls im NS-Nachrichtendienst arbeitenden Vaters zur Sprache kommt. Die Verbindung von Pyramide und Raumschiff, Königsgrab und Uterus, Machtgeheimnis des Vaters und Familiengeschichte, Mythos und Marke Almásy, zeigt sowohl, wie Gronds offene Erzählung Raum und Zeit durchquert, als auch, dass sie nicht nachzuerzählen ist.Die in Rita sich wiederholende Hana geht jedoch ins Offene "der Geburt unserer Gegenwart". Darum sei nicht verschwiegen, dass sie ihrer Liebe zur Mumie des Englischen Patienten eine Absage erteilt. Für Grond kommt diese Liebe in einer Krankenschwester mit "Vaterkomplex" und "Bombenneurose" auf ihren Nenner, der auch für die den Freudschen "Mann Moses" inkarnierenden Wüstenforscher gilt. Ihre Liebe zum Nichts der Wüste ist von der nekrophilen Liebe zur Mumie des Vaters nur insofern unterschieden, als sie die Mutter meint. Mit ihr, wie immer, telefonierend, scheint es Nicolas, dass Almásy, "von der Stimme seiner Mutter verfolgt", stets weiter in die Wüste floh oder umgekehrt, sie verstieß ihn in die Wüste, weshalb er den Pseudo-Inzest mit einer "männlichen Lesbe" betreibt. Ob der Zusammenhang von Ägyptologie und Neurosenlehre für den Vater und gegen die Mutter oder umgekehrt ausgeht, ein gelber Diwan steht als Original und Imitat für sämtliche Projektionen bereit, da in der Mobilie dieser Couch der Plan für die Mobilmachung mit dem Codewort "Kambyses" vermutet wird.Der Plan ist ein Flopp und die hermaphroditische Hana geht mit der "männlichen Lesbe" des schwulen Almásy die glücklichste aller Verbindungen ein. Doch diese "queere" Absage an die Paar- und Machtstruktur ist in Gronds Kriegsgeschichte keine Liebesgeschichte, auf die sie zu reduzieren wäre, sondern nur eines der stets neuen "Momente der Geburt unserer Gegenwart", die auf dem "weißen Fleck" der Wüste niederkommt. Er ist Projektionsschirm und black box, kartographiertes Gebiet und Fluchttopos, vermintes Gelände und Unbewusstes, militärischer Stützpunkt und verwehtes Gewirr von Spuren. Ob es bei diesen ›in den Sand geschriebenen‹ Visionen um eine Fiktion als Plan, oder um die Realität als Imagination, oder um die fiktionale Realität des Imaginären geht, das sich mit den Mythen der Geschichtsschreibung auflädt, um die Revolution oder die Diktatur, den Fundamentalismus oder die Restauration gegen das Offene der Moderne zu begründen: bei Grond ist es auf über dreihundert Seiten bestechend präzise, spannend kriminalistisch und passioniert erzählend als Antwort auf die Foucaultsche Frage nachzulesen, aus welchem Schlamm der Schlachten sich en détail die Moderne der Postmoderne unserer Gegenwart gebiert.Walter Grond: Almasy. Roman. Haymon-Verlag, Insbruck 2002, 317 S., 22 EUR
Gerburg Treusch-Dieter
Walter Gronds neuer Roman "Almasy" changiert zwischen Archäologie und Cyberspace
[]
Kultur
2002-10-11T00:00:00+02:00
https://www.freitag.de//autoren/sebastianpuschner/kevin-kuehnerts-favorit
0.54577
0.45423
0.738669
0.268941
0.441191
0.371137
0.398875
0.655777
0.757794
0.559049
0.304042
0.258326
0.427277
0.189521
0.909907
0.47317
0.594551
0.319121
0.271252
0.663669
0.173288
0.478894
0.284576
0.624294
0.138462
0.375706
0.491151
0.749087
0.465387
0.714628
0.015425
0.240775
0.319121
0.155078
0.115961
0.810479
0.043366
0.172172
0.309024
0.002051
0.304042
0.041462
0.626124
0.596903
0.971129
0.068537
0.039639
0.044019
0.044681
0.098079
0.025565
0.152032
0.025957
0.069542
0.841826
0.08389
0.115961
0.189521
0.347759
0.09947
0.086323
0.508727
0.679179
0.027585
0.027585
0.226784
0.437343
0.172172
0.127653
0.112795
0.045353
0.286169
0.331985
0.350421
0.004199
0.000335
0.008062
0.449151
0.001648
0.72952
18
Fleischindustrie Tönnies enteignen: für Klima, Tier und Mensch
Zwanzig Jahre ist es her, dass SPD-Kanzler Gerhard Schröder die strukturellen Probleme in der Tierhaltung lösen wollte. Auslöser damals war ebenfalls eine Seuche: BSE, der „Rinderwahn“. „Es wird sich etwas ändern, verkündete er. Und das tat es auch: Seit Schröders Versprechen hat sich der Umsatz der deutschen Schlacht- und Fleischverarbeitungsindustrie mehr als verdoppelt. Allein Tönnies machte im vergangenen Jahr 7,3 Milliarden Euro Umsatz – ein Rekordergebnis. Während zu Zeiten Schröders Fleisch noch importiert werden musste, ist Deutschland nun fünftgrößter Fleischexporteur der Welt, bei Schweinefleisch liegt es sogar auf Platz zwei. Die deutsche Fleischindustrie ist mittlerweile entkoppelt von ihrer eigentlichen Funktion, die Bevölkerung zu versorgen: 40 Prozent des Schweinefleischs werden exportiert. Darunter leiden auch die Tiere, denen in der Fleischindustrie routinemäßig Schmerz und Leid zugefügt wird, wie der Deutsche Ethikrat erst im Juni kritisierte.Der Exportorientierung zum Opfer gefallen sind auch die Arbeitsbedingungen. Im gerade erst erschienenen Sammelband Das System Tönnies – organisierte Kriminalität und moderne Sklaverei der Initiative Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg berichten ehemalige Tönnies-Beschäftigte von unzähligen unbezahlten Überstunden und völlig überteuerten Unterbringungen. Möglich ist all dies durch ein Subunternehmersystem, über das die meist migrantischen Arbeitskräfte als Werkvertragsarbeiter*innen bei Tönnies arbeiten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund schätzt, dass vier von fünf Beschäftigten in der Fleischindustrie bei Subunternehmen angestellt sind.Nicht zuletzt belastet das Geschäft mit der Tötung und Verarbeitung von Tieren das Klima. Ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen geht auf die weltweite Tierhaltung zurück, die damit zu den wichtigsten Verursachern der globalen Erwärmung zählt.Auch das vor drei Jahren verabschiedete „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“ führte kaum zu Verbesserungen für die Beschäftigten. Und nun? Nach öffentlichem Druck infolge diverser Corona-Ausbrüche in Fleischfabriken hat die Bundesregierung Ende Juli einen Gesetzentwurf zum Verbot von Werkverträgen in Schlachtbetrieben beschlossen. Tönnies hat derweil 15 neue Tochterfirmen gegründet („Tönnies Productions I – XV“) – möglicherweise um dadurch zukünftigen Regelungen ausweichen zu können, wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten befürchtet.Man darf sich nicht länger mit der Bekämpfung von Symptomen zufriedengeben. Auch das sagte Kanzler Schröder damals während der BSE-Krise. Und damit hat er ausnahmsweise recht, denn eine auf Profit ausgerichtete Fleischindustrie wird immer nach Möglichkeiten suchen, politische Schranken zu umgehen. Wie bloß könnte die Politik es also schaffen, Einfluss auf die Fleischproduktion zu bekommen? Welches Mittel sieht das Grundgesetz bloß für Fälle vor, in denen Konzerne wie Tönnies für das Wohl der Allgemeinheit unter demokratische Kontrolle gestellt werden müssen? Da gibt es tatsächlich ein Instrument – zurzeit wird es in Berlin im Zusammenhang mit der Wohnungsknappheit diskutiert: Enteignung!Die Rekommunalisierung der Fleischindustrie könnte sich an den kommunalen Schlachthöfen orientieren, die es noch vor Jahrzehnten überall in Westdeutschland gab. Sie fielen vor allem in den 1970er und 1980er Jahren Privatisierungen zum Opfer. In privaten Konzernen aber steht der Profit grundsätzlich über dem Allgemeininteresse. In Zeiten des Klimawandels, der Seuche und der Rückbesinnung auf das Gemeinwohl liegt die Lösung doch auf der Hand: Tönnies und Co. enteignen!
Sebastian Friedrich
Seit Jahren werden in der Branche politische Schranken umgangen. Es wird Zeit, nicht nur die Symptome zu bekämpfen
[ "Globale Erwärmung", "Bovine spongiforme Enzephalopathie" ]
Politik
2020-08-12T06:00:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/sebastian-friedrich/toennies-enteignen-fuer-klima-tier-und-mensch
0.49707
0.50293
0.840783
0.252384
0.306527
0.276691
0.517571
0.422028
0.574156
0.247987
0.264358
0.090093
0.299925
0.286169
0.935346
0.629775
0.379838
0.611846
0.277473
0.372049
0.037892
0.132066
0.003945
0.015425
0.010014
0.994615
0.168857
0.774583
0.355775
0.396068
0.122523
0.051845
0.048137
0.009413
0.000536
0.040238
0.002981
0.999952
0.00038
0.999969
0.000001
0.015425
0.019124
0.246533
0.031619
0.122523
0.007346
0.037892
0.582254
0.505096
0.014504
0.037327
0.012432
0.182426
0.017442
0.989986
0.129403
0.030215
0.020332
0.120853
0.989672
0.016403
0.007121
0.010328
0.002981
0.028008
0.983085
0.2227
0.616936
0.717012
0.068537
0.26588
0.904651
0.609059
0.002183
0.002551
0.235108
0.002323
0.014504
0.990874
19
Was läuft Die Regierwütigen
Politsatiren sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Vor sieben Jahren, als die Serie Veep (Deutschland: Sky Atlantic HD) in den USA erstmals auf Sendung ging, galt deren Grundidee noch als Witz: dass im Weißen Haus der USA ein Haufen Leute walten und schalten, die eigentlich zu blöd, zu eitel oder schlicht inkompetent sind – lächerlich, oder? Noch mehr wurde gelacht, wenn ein Washington-Insider durchblicken ließ, dass in Veep die wahre Situation nur leicht überzeichnet sei. Was waren das noch für Zeiten, als man überhaupt noch übertreiben musste, um Satire zu produzieren! Heute hat dieses bewährte Verfahren ausgedient. Die Wirklichkeit ist schlimmer, banaler und mit Distanz betrachtet vielleicht sogar witziger als es sich die besten Comedy-Autoren je ausdenken könnten.Im „Writer‘s Room“ von Veep, in der eine fiktive Vizepräsidentin sich so lange blamiert und immer wieder die Dinge in den Sand setzt, bis sie schließlich Präsidentin wird, hat man das rechtzeitig begriffen: die Serie ist über die Jahre immer besser geworden, gerade weil sie statt sich ums Witzigsein zu scheren auf den Faktor der Bösartigkeit gesetzt hat. Veep ist Comedy ohne gute Absichten. Soll heißen: Hier meint es niemand mit niemandem gut, weder mit den Zuschauern noch mit den Figuren. Es gibt kein Identifikationsangebot, keine positiven, sympathischen Helden und noch nicht mal faszinierende Antihelden á la House of Cards. Grundsätzlich geht immer alles schief, weshalb auch die Verschwörungen und Verbrechen nie so weit gehen wie in den „großen“, ernsten Politthrillern. Was die metaphorische Monstrosität der Politik spielenden Clowns in Veep natürlich keineswegs einschränkt.Ende März startet nun die siebte und letzte Staffel. Es ist die erste, die als direkte Reaktion auf die Trump-Ära gelesen werden kann, denn Staffel 6 wurde zwar im Frühjahr 2017 gesendet, war aber noch vor Trumps Wahl im Herbst 2016 fertig geschrieben. Danach pausierte die Produktion, weil Hauptdarstellerin Julia Louis-Dreyfus eine Krebserkrankung behandeln lassen musste.Die neuen Folgen beginnen in Iowa, dem Staat, in dem Präsidentschaftskandidaten in den USA traditionell als erstes ihre Chancen testen. Hier tummelt sich nun die in Staffel 5 aus dem Amt gewählte Selina Meyer (Louis-Dreyfus), um erneut ihr Glück bei den Wählern zu versuchen. Ihr Kampagnen-Slogan lautet „New. Selina. Now“. Aber natürlich ist erstmal alles beim Alten geblieben: Die Dinge gehen schief – statt in Cedar Rapids, wo eine Tribüne voller Anhänger wartet, landet ihr Flugzeug in einem menschenleeren Cedar Falls. Ein Bürgermeisterhund, dem sie Schokolade zusteckt, fällt prompt ins Koma. Und sobald sie durchblicken lässt, dass sie ihr angebliches „Protegé“, eine Afro-Amerikanerin, zu ihrer Vizepräsidentenkandidatin machen würde, überholt die sie in den Umfragen.Zumindest zu Beginn kann Selina auch noch über ihr altbewährtes Team verfügen, eine perfekte Mischung von karrieregeilen Speichelleckern, nützlichen Idioten und hochintelligenten Totalversagern. Da gibt es die kluge, immer überspannte Amy (Anna Chlumsky), den ihr in allem unterlegenen und doch stets erfolgreicheren Hallodri Dan (Reid Scott), den trockenen Strategieberater Kent (Gary Cole), der viel weiß, aber nicht, wie man effektiv mit Wissen umgeht, und den persönlichen Assistent Gary (Tony Hale), der seiner Arbeitgeberin in allem zu nahe tritt. Ergänzt um weitere Figuren wie den allzu duldsamen Chief-of-Staff Ben (Kevin Dunne) schwirren sie um Selina herum, als ein lebendiges Mobile, eine Art wegelagernde Wohn- und Arbeitsgemeinschaft, in der keiner wirklich seinen Job tut, aber jeder seinen Senf in prägnanter Pointenform beiträgt. „Kann ich wirklich ein anderes Land für etwas beschuldigen, was es gar nicht getan hat?“, fragt etwa Selina, und Ben beruhigt sie: „Das ist ein Eckpfeiler der amerikanischen Außenpolitik seit dem Spanisch-Amerikanischen Krieg!“Die besten Zeilen gehören in Staffel 7 erneut dem unbeschreiblichen Richard Splett (Sam Richardson), dessen einziges Talent seine stets unangebracht gute Laune ist. „Ich glaube, wir müssen dem Attentäter danken“, bemerkt Selina trocken, als eine Massenschießerei die Aufmerksamkeit von einer ihrer peinlichen Auftrittspannen ablenkt. „Ich kümmere mich darum!“, meldet sich Richard eilfertig mit Blick auf die Nachrichten auf seinem Smartphone, „Oh, der Attentäter ist tot. Dann schicke ich seiner Frau vielleicht Blumen, – oh, sie war sein erstes Opfer, so ein Mist.“
Barbara Schweizerhof
Barbara Schweizerhof ist froh über „Veep“: irre Politclowns, denen immer alles entgleitet. Spoiler-Anteil: 22%
[ "veep", "was läuft" ]
Kultur
2019-04-14T06:00:00+02:00
https://www.freitag.de/autoren/barbara-schweizerhof/die-regierwuetigen
0.733738
0.266262
0.810479
0.259826
0.678327
0.362969
0.525491
0.598782
0.559771
0.750553
0.242206
0.517571
0.460532
0.527803
0.67662
0.465873
0.538255
0.258326
0.23793
0.598312
0.833325
0.485905
0.839734
0.413004
0.283781
0.195594
0.301568
0.944995
0.210766
0.555676
0.775945
0.091382
0.865224
0.896251
0.890294
0.208179
0.937211
0.040846
0.07921
0.012821
0.46563
0.102305
0.33372
0.000169
0.830044
0.32595
0.210766
0.046034
0.203075
0.159217
0.105211
0.487917
0.208179
0.117572
0.969785
0.096706
0.415847
0.258326
0.68679
0.23092
0.120026
0.191933
0.455199
0.098079
0.383526
0.877477
0.206894
0.45302
0.530966
0.061876
0.267408
0.065605
0.921922
0.79053
0.200558
0.908618
0.764892
0.289372
0.326808
0.26588
20
Tatort Wart schnell
Philosophische Frage: Hat die neue Tatort-Saison angefangen, wenn sie mit einem Tatort aus Luzern anfängt? Oder ist der Tatort aus Luzern nicht der Baum im Wald, der umfällt, wenn keiner dabei ist? Ein Übergangsstadium zwischen den Wiederholungen der Sommerpause und den neuen Folgen wie Fette Hunde aus Köln am nächsten Sonntag? Ein Film, bei dem man gar nicht merkt, ob er neu ist oder wiederholt wird, weil er sich so routiniert an seinem nicht uninteressanten Thema abarbeitet, dass es ihn auch schon gegeben haben könnte?However, Tatort ist Arbeit und die Luzerner Folge Hanglage mit Aussicht, nüchtern betrachtet, nichts anderes als eine Einstimmung auf das Mittelmaß, das auch den Großteil der neuen Kampagne ausmachen wird. Dabei geht es durchaus um was, um die Korruption von Lokalpolitik, eine – spezifisch schweizerische, aber strukturell auch überall vorstellbare – steuergeldgesteuerte Standortpolitik, die Wirtschaft und Wohlstand als Markt driven denkt, dafür aber dauernd diesem Markt in der Boxengasse eigener Möglichkeiten die Reifen aufziehen muss.Interessant wird der komplexe Entwurf eigentlich erst am Ende, wenn der fiese Anwalt Louis Kaelin (Imanuel Humm) sein Dilemma als Mover und Shaker nach bestehenden Regeln erklären darf: "Die politische Situation ist einfach völlig schizophren, oder? Einerseits unterbieten sich die Kantone mit Pauschalbesteuerung da und Steuergeschenken dort, und andererseits werfen sie einem ständig Knüppel zwischen die Beine, wenn ein Ausländer Grund und Boden kaufen will. Dabei sind’s ja gerade die, die das Geld ins Land bringen, oder? Wenn wir ehrlich sind. Oder was meinen Sie, wer zahlt Ihren Lohn? Doch wohl sicher nicht der Bergbauer.""LS" und "NS" vs. "KS"Für dieses Dilemma interessiert sich Hanglage mit Aussicht allerdings so wenig wie für die Erklärungen des diesmal höchstzwielichtigen Regierungsrats Eugen Mattmann (der große Jean-Pierre Cornu), der seine politische Einflussnahme auf die Umwidmung des Gebiets, in dem der idyllisch-marode Berghof Wissifluh steht, von "LS" und "NS" zu "KS", so darlegt, dass man sich daraus ein realistisches Bild von politischem Handeln in Zeiten der Markt driven Öffentlichkeit bauen könnte. Das ist das Elend dieses Tatort (Buch: Felix Benesch, Regie: Sabine Boss): dass er nicht in die offenen Räume vordringt, die sich durch den Entwurf auftun, sondern immer nur Zeugwart sein will, der die Leibchen fürs Gut-Böse-Trainingsspiel verteilt.Die aufregende, komplexe Geschichte, die "Hanglage mit Aussicht" erzählen hätte können, wird nicht erfasst von einer Form, die in ollen Kamellen festhängt. Die Widerstandszelle auf der Wissifluh ist dem Heimatfilm abgeschaut, bei dem sich zwischen Mistgabelstapler Old Arnold (looks like a ausgezehrter Tilo Prückner: Peter Freiburghaus) und der Tochter (Sarah Sophia Mayer) ein Generation Gap auftut, das die drohende "Modernisierung" radikal (eben mit der Mistgabel) oder pragmatisch-erschöpft (durch Verkauf) handlen will. Reto "Flücki" Flückiger (Stefan "Gubsern" Gubser) muss zickig auf Topchecker machen, der lange auf der Ersatzbank geschmort wird, damit im zweiten Teil wiederum alle froh sein können, dass er mit sich mit erfahrungsgesättigten Zweifeln doch nicht so leicht ins Bockshorn jagen lässt. Solche Zwistigkeiten lenken ab und verbrauchen Dialog, der sowieso immer klingt nach Zwischenbilanzen von Verwicklungen, die sich das Drehbuch ausgedacht hat.Eine andere, merkwürdige Form der Erzählung ist die Presenter Ermittlung, die sich der Spielfilm offenbar beim durchformatierten Fernsehen abgeschaut hat. Das rechnet nur mit einem Zuschauer, der Zusammenhänge erst dann begreifen kann, wenn sie ihm durch einen Reporter und Erzähler präsentiert werden, der seine Reportage erlebt oder das von ihm erzählte Problem am eigenen Leib: Flücki packt aus seiner Robin-Hood-Sympathie am verwaisten Berghof an (Old Arnold sitzt ja ein, weil die Politik es so will), füttert die Schweine und tauscht seine Halbschuhe (die so oft vorgezeigt werden, dass sich die Firma, die sie herstellt, nicht ärgern wird) gegen Gummistiefel ein.What a Unsinn, und da muss man nicht einmal vom Lieblingsvorwurf des Zuschauers reden ("unrealistisch!"), sondern nur drauf verweisen, wie falsch diese Parteinahme als Tool zur Gesellschaftskritik ist. Wenn Flücki am Ende Mattmann off the record die unterstützende Rettung des Berghofidylls abtrotzt, dann ist das genauso korrupt wie das Supporten der Investoren zuvor – nur zugunsten der guten Sache. Da wird Pupsie Müller aka Lil' Fritzchen über den Kopf gestreichelt – ist schon alles nicht so schlimm.Hände aus den TaschenKamera und Inszenierung laufen sonst auf Tourismuswerbung hinaus (diese Totalen ins Tal sind wirklich allerliebst) beziehungsweise auf dröges Rumgerenne: Liz Ritschard (Delia Mayer) steckt ihre Hände so unterrepräsentativ in die Taschen der Lederjacke, dass man sie entweder zu vier Wochen Praktikum bei der so wunderbar herumschlenkernden Connie "The Amtsflur is my Catwalk" Mey in Bankfurt verschicken möchte oder eben der Regie empfehlen, Liz anders in Szene zu setzen.Flücki holt derweil wieder den Womanizer raus, als den man ihm bei Klara Blum am Bodensee "dereinst" (Thomas Mann) kennengelernt hat. Reizvoll sind die zahllosen Helvetismen ("Gopfriedstutz", "das schenkt natürlich mehr ein", "mach jetzt kein Büro auf"), die einen jedoch auch nur daran erinnern, dass die vermaledeite Synchronisation der Tonspur jede Atmosphäre austreibt. Da sitzt man dann allein mit der Musik (Fabian Sturzenegger), die leider die meiste Zeit so wirkt, als wäre der Produktionspraktikant am Ende in ein Geschäft für Filmmusiken geschickt worden, in dem saisonbedingt die Regale leer waren und nur noch ein USB-Stick rumlag, auf dem "irgendwie spannend" stand.Eine Unsitte, die die Zeit kostet, die damit gespart werden soll: Essen am Computer, man muss sich dauernd die Finger lecken, damit die Tastatur nicht verfettet Ein Dilemma, in dem man nicht stecken möchte: " Wir von der Immobilienbranche haben mit so vielen Vorurteilen zu kämpfen" Der Grund, warum wir uns in Gehaltsverhandlungen immer scheinbar dämlich anstellen: "Das Schweinegeld macht einfach jeden kaputt"
Matthias Dell
Aufwärmübungen fürs Mittelmaß: Der Luzerner "Tatort: Hanglage mit Aussicht" eröffnet die neue Saison mit routinierter Form, die eine spannende Geschichte verfehlt
[ "tatort" ]
Kultur
2012-08-26T22:06:03.229385+02:00
https://www.freitag.de/autoren/mdell/wart-schnell
0.626924
0.373076
0.822189
0.307358
0.396535
0.218669
0.406862
0.546254
0.672332
0.562657
0.371137
0.31321
0.372049
0.514522
0.795658
0.796925
0.319121
0.33546
0.288569
0.357567
0.132066
0.188324
0.400749
0.893309
0.224055
0.05921
0.619241
0.422981
0.4206
0.836555
0.468061
0.714628
0.076961
0.396535
0.314893
0.264358
0.646906
0.414899
0.029312
0.014957
0.967899
0.144149
0.030676
0.150029
0.958538
0.119203
0.045353
0.040238
0.098079
0.069542
0.064653
0.455199
0.067547
0.377541
0.855851
0.225417
0.228157
0.148047
0.292595
0.160266
0.091382
0.779993
0.783988
0.168857
0.060087
0.256832
0.198064
0.239349
0.243642
0.102305
0.482307
0.5794
0.655777
0.527682
0.055823
0.123366
0.136608
0.058346
0.753467
0.572245
21
Das unheimliche Nachleben der Documenta Fifteen
Keine Documenta ohne Skandal. Die 14. Ausgabe der Kasseler Weltkunstschau hat zum Beispiel ihr Budget überzogen; die 15. Ausgabe konnte dieses Defizit wieder einspielen. Das war möglich, weil es keine teure Satellitenausstellung gab und wenige Blockbuster-Kunstwerke. Es ging um das persönliche Zusammensein, etwas, das bei den konzeptuell anspruchsvollen Ausstellungen früherer Jahre vielleicht zu kurz kam. Eine tolle Verschränkung: Die Stadt war Gastgeberin der Kunstschau, und die Bewohner*innen der Stadt waren Gäste, und zugleich, das ergab eine Untersuchung des Documenta-Instituts, waren sie stolz auf ihre Kunstschau.Bloß was, wenn noch ein ungebetener Gast vorbeikommt? Ein riesiges Banner, das antisemitische Ikonografie enthält, mitten auf dem Friedrichsplatz vor dem Fridericianum? Ein Filmkollektiv, das die Propagandafilme von terroristischen Gruppen weitgehend unkommentiert zeigt? Antisemitische Karikaturen? Die Debatte begann schon Monate vor der Eröffnung, damals ging es noch um die Nähe einiger Kurator*innen zur Israel-Boykott-Bewegung BDS, und sie wurde während der gesamten Laufzeit fortgesetzt.Vielleicht hat diese Ausgabe der Ausstellung auch eine latente politische Dimension zutage gefördert. Ganz am Anfang, 1955, sollte die Documenta an die Moderne anknüpfen, die so jäh vom deutschen Faschismus unterbrochen wurde. Lange wurde sie als das große Demokratieprojekt der jungen Bundesrepublik gesehen, das über die Jahrzehnte zur, nun ja, Weltkunstschau geworden ist: immer globaler, eine Ausstellung, die die ganze Gegenwart abbildet. Erst spät wurde weithin bekannt, dass einer der Gründer selbst eine Nazi-Vergangenheit hatte. Vielleicht, so sagte die Antisemitismusforscherin Yael Kupferberg einmal, habe diese Documenta den Deutschen einfach den Spiegel vorgehalten, womöglich hat sie deshalb so provoziert.Die Komission wirft hinDie Skandale überdauern ihre Laufzeit wie ein unheimliches Nachleben. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass Ranjit Hoskoté, Mitglied der Findungskommission, eine Petition von BDS India unterzeichnet hat – zwar schon 2019, aber er hielt seine Unterstützung geheim. Kurz darauf zog sich die israelische Künstlerin, Philosophin und Psychoanalytikerin Bracha Lichtenberg Ettinger aus der Kommission zurück. Sie hatte nach dem Angriff der Terrormiliz Hamas vergeblich um die Verschiebung von Sitzungen gebeten. Wenig später löste sich das Gremium ganz auf. Eine Begründung wurde bei e-flux veröffentlicht: „Wenn Kunst den komplexen kulturellen, politischen und sozialen Realitäten der Gegenwart gerecht werden soll, braucht sie angemessene Bedingungen, die diverse Perspektiven, Wahrnehmungen und Diskurse erlauben.“ Diese Bedingungen seien in der öffentlichen Debatte in Deutschland nicht gegeben.Der implizite Vorwurf im Nachgang der Documenta Fifteen war, dass deutsche Erinnerungskultur und Solidarität mit Israel einen offenen Austausch abschnürten. Eine ganz provinzielle Haltung, so die Klage. Dabei – so sagte es Meron Mendel, der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank am Wochenende bei einem Symposium – sei der Holocaust eben singulär für Deutsche und Jüdinnen*Juden und deshalb der Provinzialitätsvorwurf aus dem internationalen Kunstbetrieb so überheblich.Ein Kurator*innenteam für die kommende Documenta wird gerade noch nicht gesucht, und das ist sicher gut: Auf der 16. Documenta lastet eine besonders große Verantwortung.
Philipp Hindahl
Nach antisemitischen Kunstwerken auf der Documenta Fifteen kommt die Kunstausstellung nicht zur Ruhe. Deshalb ist jetzt nicht der richtige Moment, um nach Personen zu suchen, die die nächste kuratieren
[ "documenta fifteen" ]
Kultur
2023-11-22T10:30:00+01:00
https://www.freitag.de/autoren/philipp-hindahl/das-unheimliche-nachleben-der-documenta-fifteen-philipp-hindahl-ueber-die-grosse-verantwortung-der-documenta
0.454714
0.545286
0.833325
0.481698
0.521227
0.373876
0.449634
0.292595
0.76207
0.279042
0.258326
0.262842
0.386763
0.407805
0.868827
0.637031
0.460532
0.602529
0.114369
0.346873
0.236516
0.746139
0.240775
0.034619
0.07477
0.453988
0.267408
0.814053
0.042088
0.541894
0.177811
0.001065
0.705785
0.052619
0.078078
0.826712
0.226784
0.359364
0.000911
0.000011
0.000779
0.011332
0.893309
0.999993
0.072637
0.76769
0.424412
0.321673
0.714628
0.710628
0.190724
0.773216
0.245085
0.939913
0.085099
0.061876
0.453746
0.214691
0.469885
0.431105
0.309024
0.062789
0.042088
0.060087
0.165593
0.435901
0.273574
0.847968
0.373876
0.827828
0.399812
0.959154
0.650467
0.020646
0.120853
0.137532
0.812867
0.035145
0.993096
0.004905
22
End of preview. Expand in Data Studio
README.md exists but content is empty.
Downloads last month
16

Collection including NLP-UniBW/der_freitag_de_classified